Ein Mann will nach oben
glauben!«
»Wenn du es ihr richtig sagst, wird sie es glauben. Einmal hat sie dir alles geglaubt!«
»Dies nicht! Ich habe ihr angemerkt, in diesen Dingen glaubt sie mir nichts.«
»Rieke sagt«, meinte Kalli Flau vorsichtig, »daß du in der ganzen letzten Zeit, schon seit Monaten, nicht mehr richtig bei ihr gewesen bist. Sie sagt, sie hat gefühlt, daß du nie mehr mit deinen Gedanken bei ihr warst. Sie sagt, du hast schon lange an eine andere gedacht.«
»Ich habe das Mädchen, das heute da war, vor ein paar Tagen zum ersten Mal in meinem Leben gesehen. Und da war sie so betrunken, daß sie überhaupt nichts von sich gewußt hat. Heute habe ich sie zum zweiten Mal gesehen.«
Karl Siebrecht war sehr eifrig bei diesen Versicherungen. Kalli Flau sah ihn schweigend an. Dann meinte er: »Und doch sagt Rieke, du denkst seit langem an eine andere.«
Karl Siebrecht schwieg.
»Aber das soll alles sein, wie es will«, fing Kalli Flau wieder an. »Mich geht es nichts an. Ich möchte nur, daß ihr beide euch im Guten trennt. Versteh doch, Karl, es muß ihr doch leichter werden, über alles fortzukommen, wenn sie an dich als an einen Freund denken kann.«
»Sie wird mir nichts glauben!«
»Versuch es, Karl!«
»Es ist zwecklos, Kalli!«
»Bitte, Karl!«
»Sie wird mir nur Vorwürfe machen, noch schwerere Vorwürfe.«
»So höre sie an. Sage ihr in allem die Wahrheit, das wird sie besänftigen. Du hast es in letzter Zeit nicht mehr sehr genau mit der Wahrheit genommen, Karl.«
»Ich bin ihr nicht untreu gewesen!«
»Ach, untreu … Und doch schweigst du, doch wagst du nicht, zu ihr zu gehen!«
»Ich wage es schon, nur: es hat keinen Sinn.«
»Du wagst es eben nicht! Weil du ein schlechtes Gewissen hast!«
»Ich habe kein schlechtes Gewissen!«
»Ach, Karl, ich bin dein ältester Freund, ich kenne dich fast so gut, wie dich Rieke kennt.«
»Und doch habe ich kein schlechtes Gewissen!« Plötzlich besann er sich. Plötzlich sagte er, was er nie hatte sagen, was er sich selbst nicht hatte eingestehen wollen: »Doch, ich habe ein schlechtes Gewissen. Aber ich schwöre dir, Kalli, seit neunzehnhundertvierzehn, seit neun Jahren habe ich das Mädchen nicht wiedergesehen, wir haben uns nie eine Zeile geschrieben. Es war auch nie etwas. Es ist nur ein Traum von mir gewesen.«
»Und Rieke hat es doch gespürt!«
»Ja, Kalli, in der Ehe kann man auf die Dauer nichts verheimlichen. Es sickert durch. Es ist nur ein Blick oder ein gedankenloses Wort, in einer Sekunde, wo es darauf ankommt. Ich habe es nie gewollt. Noch heute glaube ich nicht daran, daß ich diese andere wirklich liebe. Sie ist nur ein Traum. Aber vielleicht kann man auch einen Traum lieben. Manchmal, nun aber schon lange nicht mehr, bin ich mit dem Wagen hinausgefahren, wo sie früher gewohnt hat. Ich bin da herumgegangen. Nein, ich habe sie nie geliebt, es war nur eine Jungenschwärmerei, aber als es mit meiner Ehe dann nicht so wurde, wie ich erwartete, habe ich mich daran geklammert.«
»Ja«, sagte Kalli Flau, plötzlich sehr böse. »Du hast dir beweisen wollen, daß du wenigstens etwas liebtest in deinemLeben. Aber du hast nie etwas geliebt, Karl, nie einen lebendigen Menschen aus Fleisch und Blut geliebt. Geliebt hast du nur deinen Traum, die Stadt Berlin zu erobern.«
»Du weißt sehr wohl«, antwortete Karl Siebrecht gekränkt, »daß ich Rieke und dich als Freunde sehr liebe. Nur in der Ehe – das ist etwas anderes …«
»Freunde – ja, wir sind deine Freunde gewesen, wenn du gerade einmal Freunde brauchen konntest, sonst waren wir so fremd für dich wie alle anderen Menschen!« Aber Kalli Flau besann sich. »Wir wollen uns nicht streiten. Ich ändere dich nicht, ich glaube, niemand wird dich mehr ändern. Aber ich verlange von dir, daß du noch einmal zu Rieke gehst und freundschaftlich mit ihr sprichst. Vielleicht ist es wirklich besser, du erzählst ihr nichts von diesem – Traum, das macht ihr nur neuen Kummer. Sie möchte so gerne weiter an dich glauben. Also versprich mir, daß du noch einmal kommst …«
»Wenn du wirklich meinst?« fragte Karl Siebrecht zögernd. »Aber ich bin sicher, es kommt nichts dabei heraus.«
»Ach, sei jetzt nicht feige!«
»Ich bin nicht feige!«
»Also, du kommst! Wann?«
»Sagen wir übermorgen abend?«
»Schön. Also denn, Karl!«
»Also denn, Kalli!« Und als der Freund schon aus der Tür gehen wollte: »Kalli, wenn du noch was wegen meiner Sachen veranlassen wolltest? Ich habe hier
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