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Ein Mann will nach oben

Ein Mann will nach oben

Titel: Ein Mann will nach oben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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Noch einmal fünf Würfe?«
    »Nur noch einen!« verlangte Siebrecht.
    »Ist gemacht«, sagte der Händler. »Los, wirf, Mensch!«
    Karl Siebrecht hielt das Geldstück in seiner Hand. Er dachte an das aufgegebene Taxi, er dachte daran, daß er wohl immer ein Lohnchauffeur sein würde, wenn dieser Wurf fehlging. Er wollte ihn als Vorzeichen für die künftige Zeit nehmen, nach Jahren der Verwirrung mußte es nun wieder aufwärtsgehen. »Adler!« sagte er und warf. Er sah gar nicht hin, er hörte die Münze auf den Tisch klirren, aber er sah nicht hin. Er wußte, was er geworfen hatte.
    »Adler!« sagte Engelbrecht. »Noch haben Sie nicht gewonnen, Siebrecht! Ich kann auch Adler werfen!«
    »Sie werden nicht Adler werfen! Ich weiß das. Los, werfen Sie doch!«
    Engelbrecht sah ihn mit seinem geröteten Gesicht an. In den dunklen Augen, die sonst immer ohne Ausdruck blickten, blitzte jetzt ein Licht. »Werde ich nicht Adler werfen?« fragte er und schnippte die Münze ein paarmal in die Höhe. »Nein, werde ich nicht?« Er fing sie immer wieder in der Hand auf.
    »Sie werden nicht Adler werfen!« antwortete Karl Siebrecht. »Und wenn Sie noch eine halbe Stunde mit dem Fünfmarkstück spielen! Ich will es nicht, und da können Sie es auch nicht!«
    »Das wollen wir doch einmal sehen!« rief Engelbrecht und warf rasch.
    Beide fuhren über Tisch und Münze mit den Köpfen zusammen, daß es krachte. Beide fühlten es nicht einmal.
    »Ich bin der Besitzer eines Lastwagens!« rief Karl Siebrecht, er streckte sich lang auf seinem Stuhl aus. Plötzlich fühlte er eine Schwäche in allen Gliedern, er hätte keine Hand mehr rühren können.
    »Halt!« rief Engelbrecht hitzig. »Noch einmal fünf Würfe! Ich setze den Personenwagen gegen den Lastwagen!«
    »Nein«, erwiderte Karl Siebrecht. »Das war meine erste Chance nach dem Kriege, die riskiere ich nicht noch einmal. Du lieber Himmel, ich besitze einen Lastwagen!« Wäre der Engelbrecht nicht dabeigewesen, er hätte geheult vor Glück. Rieke war im Augenblick ganz vergessen, er fand, das Leben lächelte ihm wieder.

81. Vorbereitungen – für nichts

    Schon seit langem hatte Karl Siebrecht nicht mehr einen so arbeitsamen Tag gehabt wie diesen, der auf den Spielabend mit Engelbrecht folgte. Gleich dieses Erwachen am frühen Morgen nach einem Schlaf, in dem er geträumt hatte, er wußte nicht mehr was, aber es war etwas Angenehmes gewesen – und plötzlich war ihm klar: ihm gehörte ein Lastwagen!
    Wie er es dann nicht abwarten konnte, wie er in Hemd und Hose auf den Hof hinauslief, seinen Wagen zu sehen! Es war leichter Frost und schneite sacht, fröstelnd stand er neben dem Wagen und nickte: es war alles schön und gut mit dem Engelbrecht, der Mann war hochanständig gewesen. Aber das erste mußte doch sein, daß er sich eine Garage suchte. Hier auf dem Hof des Händlers, das taugte nichts. Jetzt wollte er ganz unabhängig sein. Der Blick fiel auf die Inschrift des Wagens: »Baugeschäft Maurermeister Ernst Thormann, Weißensee«, stand darauf zu lesen. Und wieder nickte er. Der Wagen war jetzt grau, er mußte neu gestrichen werden. Grau war keine Farbe, Grau war ein Zustand, in dem er jetzt lange genug gewesen. Er hatte nun einmal eine Vorliebe für Gelb.Hatte Rieke nicht zuerst Kanalljenvogel gesagt? Ach was, Rieke! Alle auf den Bahnhöfen hatten es gesagt, Gelb war das beste. Berliner Gepäckbeförderung Siebrecht & Flau? Es gab keine Firma Siebrecht & Flau mehr, und wie die Dinge aussahen, würde es auch kaum wieder eine geben. Er mußte rasch einen neuen Firmennamen erfinden, etwas Schlagkräftiges, heute morgen noch sollte der Wagen zum Maler!
    Er fuhr gerade mit dem Kopf aus dem Stalleimer, in dem er sich wusch, da war es ihm eingefallen: Eildienst Karl Siebrecht! Das war das beste. Kurz, knapp, klar. Keine anderen Namen! Und ein Zimmer muß ich mir auch mieten, dachte er. Ich will hier nicht länger bei dem Engelbrecht herumhocken!
    Soviel zu tun, soviel vorzuhaben, was war das herrlich! Hinein jetzt und los! Es würde schon werden –! Es gab wieder etwas zu tun, es gab etwas zu planen und zu hoffen, sonst war das Leben nur ein trüber Sumpf. Dann fiel ihm ein, was er Kalli für den Abend versprochen hatte, er bewegte ungeduldig und gereizt seine Schultern. Wenn es nur schnell geht, dachte er. Wenn es nur ohne langes Gezerre abgeht! Es ist ja doch alles vorbei. Kein Reden hilft noch. Ich wollte, dieser Abend wäre erst vorüber, dann hätte ich die Bahn richtig frei

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