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Ein Mann will nach oben

Ein Mann will nach oben

Titel: Ein Mann will nach oben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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sind, Herr Körnig«, sagte er tröstend, »wird es ein Kinderspiel sein, diese Papierchen wieder einzulösen. Bis dahin prolongieren wir»
    »Ich fürchte, wir werden mit dem Aufbau nie fertig«, antwortete Herr Körnig besorgt. »Berlin ist zu groß für uns, Herr Direktor.«
    »Berlin ist nicht zu groß für uns, Herr Körnig«, sagte er bestimmt. »Wir werden Berlin erobern.« Er lächelte, als er daran dachte, einen wie anderen Sinn diese Eroberung Berlins mit den Jahren bekommen hatte. Es war größer und kleiner geworden, das, was er einst geträumt hatte. Nein, es war viel größer!

98. Souper mit Senden

    Der Vorschlag, einmal zu dreien irgendwo zu Abend zu essen, war von Herrn von Senden ausgegangen. Seit Karl Siebrecht den Rittmeister zu seinem stillen Teilhaber gemacht hatte, war die Verbindung nicht wieder abgerissen wie in früheren Jahren. Manchmal hatte er dem alten Gönner Geschäftliches zu berichten, oft aber war er einfach aus Mitteilungsbedürfnis zu ihm in die Artilleriestraße gegangen, wenn es dann auch Wochen und Monate gedauert hatte, bis er das einzig Mitteilenswerte zuerst andeutete, dann offen erzählte.
    Aber wenn man einen Mann einen Weltmann nennen konnte, so war es der Herr Bodo von Senden. Er kannte die Welt, und er hatte Augen im Kopf. Einmal sagte er: »Das erste Mal, daß ich dich in einem wirklich schönen Oberhemd sehe, mein Sohn Karl!« Ein andermal meinte er: »So, einen Masseur hast du jetzt auch? Sehr förderlich für die Gesundheit!« Aber er sagte so etwas nicht nur, er dachte sich auch einiges dabei. Er zählte eins zum anderen, er ließ auch die Schneideranzüge nicht außer acht und nicht die gepflegteren Hände, er notierte sich im Kopf die Erwähnung eines Theaters, den Besuch eines Konzertes. Als dann Karl Siebrecht schüchtern anzudeuten anfing, da lächelte er nur in sich hinein, bis er ganz plötzlich sagte: »Also bestelle deiner Dame einen schönen Gruß von mir und sage ihr, es würde mir eine Ehre und ein Vergnügen sein, euch beide einmal zu einem Souper auszuführen. Den Ort mag sie bestimmen.«
    Karl Siebrecht hatte erst viele Bedenken, er meinte, es sei ganz unsicher, wie seine Dame diese Einladung aufnehmen würde. »Ich weiß nie, was sie denkt und will und tut«, sagte er fast klagend. »Sie überrascht mich immer!«
    »Also ist sie eine richtige Frau«, lachte der Rittmeister. »Ich habe noch nie gehört, daß Frauen etwas mit Algebra zu tun haben, daß Sie sich also ausrechnen lassen. Richte ihr meine Bestellung zu einer günstigen Stunde aus und telefonieremir dann in die Kaserne den gewünschten Ort. Alles andere werde ich schon besorgen.«
    »Ich fürchte, es wird nichts zu telefonieren geben«, sagte Karl Siebrecht ahnungsvoll.
    Aber seine Ahnungen hatten ihn wieder einmal betrogen. »Schön, sehr schön«, sagte Hertha Eich, ganz im Tonfall ihres Vaters. »Sagen wir also Montag. Montag sind die wenigsten Leute unterwegs, und sagen wir –«, sie überlegte, »– sagen wir Horcher.«
    »Ausgezeichnet«, antwortete der Rittmeister aus der Kaserne. »Ihr werdet mich Montag ab neun Uhr vor Horcher auf Posten finden. Und nun entschuldige mich, mein lieber Junge, ich habe nämlich Dienst.«
    Als einziger von den dreien hatte wahrscheinlich Karl Siebrecht diesem Souper mit einigem Bangen entgegengesehen: er hätte so gerne gewollt, daß der Freund der Freundin, daß aber auch die Freundin dem Freund sehr gefiel. Hertha Eich war häufig recht kühl und verletzend zu Leuten, die sie nicht mochte. Sie machte auch nicht den geringsten Hehl daraus, wenn jemand sie langweilte, und Siebrecht war sehr unruhig, ob der Rittmeister wohl ihr Typ sei. – Er hatte seinen alten Gönner nie im Umgang mit Frauen gesehen – er hätte sich jede Unruhe ersparen können.
    »Ein Kavalier alter Schule!« flüsterte ihm Hertha zu. »Ein echter Grandseigneur!«
    Ja, mit welcher Selbstverständlichkeit der Herr von Senden seiner Dame die Hand küßte, wie er ihr sicher aus dem Pelz half, wie alles an dem Souper so vorbereitet war, als kenne der Rittmeister Herthas Geschmack seit vielen Jahren, und wie dann alles am Schnürchen ablief, wie die beiden nach den ersten drei Minuten in der lebhaftesten, heitersten Unterhaltung waren, gespickt mit Andeutungen, von denen ihm zwei Drittel unverständlich blieben – ja, das alles schien Karl Siebrecht nicht erlernbar. Das mußte angeboren sein, Herr von Senden hatte es, und Hertha Eich hatte es auch! Er aber hatte es nicht – er

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