Ein Mann will nach oben
stolz an. »Von morgen früh an werde ich hier mit einem zweispännigen Plattenwagen am Stettiner Bahnhof halten, und wer will, schmeißt sein Gepäck rauf. Ich fahre es für euch ab, vorläufig nur zum Anhalter und Potsdamer. Eure Kollegen geben es dort auf, und ich nehme deren Gepäck wieder hierher zurück. Sechsmal am Tage werde ich hier halten, alle zwei Stunden, von zehn Uhr morgens bis acht Uhr abends. Der Wagen wird dastehen, und ihr könnt tun, was ihr wollt!« Damit bohrte Karl Siebrecht die Hände wieder in die Taschen, warf den Kopf in den Nacken und trat ein paar Schritte von ihnen fort. Er hatte seinen Spruch gebetet.
Die standen einen Augenblick schweigend, dieses rauhe Angebot war ihnen doch zu überraschend gekommen. Dann schob einer seine Dienstmannsmütze nach hinten, fuhr sich mit dem Jackenärmel über die Stirn und sagte: »Donner, ist das heute eine Hitze!« Und schwieg wieder.
Alle schwiegen. Sie warfen halbe, verstohlene Blicke aufeinander, auf den Jungen. Keiner wagte das erste Wort, keiner wollte sich festlegen. Dann rief der Dienstmann 77, der alte Küraß: »Macht, wat der Junge sagt! Der Junge is joldrichtig! Ick hab noch nie so ville Jeld jemacht, wie seit der Junge mir hilft! Der Junge is in Ordnung!«
Und als hätten diese Worte Kiesow in Gang gesetzt, fragte der plötzlich, mit schräggehaltenem Kopf, zu Karl Siebrecht hinüber, die Augen fest zugekniffem »Und was willst du dabei verdienen? Oder stellst du deinen Wagen umsonst?«
Karl Siebrecht sah ihn wieder an. »Die Hälfte eurer Taxen!« sagte er. Nicht mehr.
Im gleichen Augenblick brach der Sturm los. »Du bist ja verrückt geworden!« schrien sie. »Die Hälfte von unserem Verdienst sollen wir dir abgeben? Und wir? Wir kucken in den Mond, was? Du bist ja ein richtiger Ausbeuter, aus dir kann noch was werden – aber nicht bei uns!«
Und der Kupinski schüttelte die Fäuste gefährlich nahe vor ihm und schrie: »Ich schlag dir die Fresse ein! Deine Zähne kannst du deinen Pferden in den Hintern garnieren! Ich schlag dir die Fresse ein, daß du Backzähne spuckst!« Die jammernde, Gnade flehende, beruhigende Stimme des alten Küraß verhallte ungehört.
Der Junge ließ sie schreien. Im Grunde seines Herzens verachtete er sie. Sie waren ja so dumm! Sie konnten nicht rechnen. Sie waren zwanzig, dreißig Jahre älter als er, sie mußten ihm an Kenntnis der Stadt Berlin und Welterfahrung weit überlegen sein, aber sie begriffen nichts, was man ihnen nicht erklärte. Sie waren auch wohl verhetzt, sie glaubten, was des einen Vorteil, müßte des anderen Schaden sein. Sie verstanden nicht, daß an einer Sache zwei den Vorteil haben konnten.
»Dein feiner Wagen kann hier stehen, bis er Wurzeln schlägt!« sagte Kiesow. »Von uns kommt kein Koffer rauf! Und mit denen vom Anhalter werden wir auch reden!« setzte er drohend hinzu.
»Und wenn der Küraß seine Koffer auf deinen Wagenstellt, schmeiß ich sie selbst wieder runter!« rief Kupinski drohend.
Siebrecht sagte: »Ihr könnt eben nicht rechnen. Ihr denkt, ich nehme euch Geld. Ich gebe euch noch Geld zu –«
»Halte die Schnauze jetzt! Wir wollen von deinem Dreck nichts mehr hören!«
Unbeirrt fuhr Karl Siebrecht fort: »Ihr bedenkt nicht, daß ich mit meinem Wagen das Gepäck von allen Reisenden fortschaffe, es bleiben keine mehr stehen für die Haifische! Da habt ihr euren Verlust schon wieder rein! Ihr könnt aber in der Zeit, in der ich zum Anhalter fahre, andere Fuhren annehmen, zum Lehrter, zur Friedrichstraße, in die Wohnungen, die habt ihr über euren alten Verdienst weg – stimmt das oder stimmt das nicht?«
Jetzt schwiegen sie. Aber sie sahen ihn noch immer finster und argwöhnisch an. Sie witterten noch immer eine Falle, eine Hinterlist. Plötzlich rief einer: »Und wenn du mit den Koffern durchgehst? Wir sind für die Koffer haftbar, nicht du!«
Der Junge zuckte bloß die Achseln. »Ich hätte schon zwanzigmal mit den Koffern vom Opa Küraß durchgehen können, wenn ich das gewollt hätte!«
»Ein Wagen voll lohnt sich besser als eine Karre!«
»Es kann ja immer einer mitfahren von euch – wenn ihr soviel Zeit und Geld über habt!« Er hatte dieses Geschwätz satt. Gesagt war, was gesagt werden mußte, nun sollten sie sehen, wozu sie sich entschlossen. Gut stand seine Partie nicht, darüber war er sich klar. Sie mochten ihn nicht, einmal, weil er ein Haifisch war, dann mochten sie ihn überhaupt nicht.
Da sagte es Kiesow auch schon: »Wenn du nicht so
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