Ein Meer von Leidenschaft (German Edition)
das endlose Auf und Ab des Wassers. Selbst dann schien er aber noch in Bewegung zu sein.
Nun blickte auch Kate in die Richtung des Fischerbootes. Sie fragte sich, welche Gedanken Dominic durch den Kopf gehen mochten, wenn er auf das Meer hinausschaute. Sah er in ihm eine ständige Herausforderung? Bedeutete es Romantik für ihn?
Kates Schritte waren wegen ihrer leichten Tennisschuhe unhörbar. Doch kaum hatte sie das Boot erreicht, wandte sich Dominic nach ihr um, als hätte er ihr Kommen gespürt.
„Du bist früh“, sagte er, trat näher und hielt ihr die Hand hin, um ihr an Bord zu helfen.
„Ich dachte mir, dass du es genauso wenig erwarten kannst hinauszufahren wie ich.“ Kate ergriff die dargebotene Hand, doch als sie an Deck stand, zog sie sie sofort wieder zurück.
„Es dürfte eine angenehme Fahrt werden“, verkündete Dominic und ließ den Blick über den Horizont schweifen. „Der Wind weht aus nördlicher Richtung. Nicht stärker als zehn Knoten.“
„Fein.“
Kate half ihm, die Leinen loszumachen, und ging anschließend zum Heck. Dies war der größtmögliche Abstand zu Dominic auf der begrenzten Fläche des Bootes.
Dominic ließ den Motor an und manövrierte das Boot aus dem Hafen. Obwohl er zunächst nur langsam fuhr, warf das Kielwasser kleine Wellen gegen die Holzpfähle des Landungsstegs.
Während das Boot mit gleich bleibender Geschwindigkeit das flache Gewässer vor Ocracoke durchquerte, stand Kate am Heck und beobachtete, wie die Entfernung zur Insel immer größer wurde. Das Letzte, was sie deutlich erkennen konnte, war ein kleiner Junge, der mit einer Angel über der Schulter unternehmungslustig auf den Hafen zusteuerte.
Kate wandte sich um und setzte sich auf die Bank. Die Sonne brannte nun schon heiß, und der Wind war warm. Kate schloss die Augen, so dass sie die Sonne hinter ihren Lidern lediglich als hellen Lichtpunkt gewahrte. Sie empfand das gleiche aufregende Gefühl der Freiheit, des Ungebundenseins, das sie bereits vor vier Jahren in seinen Bann geschlagen hatte. Diese Erinnerung hieß sie gern willkommen.
Völlig ruhig saß Kate. Sie merkte, dass Dominic die Fahrt allmählich beschleunigte. Leicht wie ein Pfeil schoss das Boot über das Wasser. Kate genoss den Nervenkitzel, den Rausch der Geschwindigkeit. Es war der richtige Auftakt für das Abenteuer einer Schatzsuche.
Eigentlich wollte sich Dominic nicht nach Kate umschauen. Aber dann konnte er nicht widerstehen und sah zum Heck. Ein Lächeln umspielte Kates Mund. Sie hatte die Augen geschlossen und das Gesicht zur Sonne emporgehoben. Der Wind wehte einzelne Strähnen ihres aufgesteckten Haares um ihren Kopf. Genauso hatte Dominic sie vor vier Jahren gesehen, und da war ihm bewusst geworden, dass er sich in sie verliebt hatte.
Er wandte sich wieder dem Meer zu, doch das Bild der regungslos und friedlich auf der Heckbank sitzenden Kate blieb vor seinem geistigen Auge. Um sich abzulenken, versuchte er, sie sich im Hörsaal vorzustellen, wie sie zum wiederholten Male geduldig die Besonderheiten dieses oder jenes Gedichtes erklärte.
Es gelang ihm nicht. Er sah sie immer nur, wie sie Sonne und Wind in sich aufnahm.
Kate wünschte, dass dieser Zauber ewig dauern würde. Durch ihre Reise nach Ocracoke hatte sie sich nicht nur räumlich von dem College und ihrem Beruf entfernt. Sie empfand auch deutlich den seelischen Abstand zu ihrem bisherigen Leben. Die Lehrerin, die Kate gern und unter vollem Einsatz war, machte der unbekümmerten Träumerin Platz, die sie in jenem ersten Sommer auf der Insel Ocracoke in sich entdeckt, dann aber verbannt hatte.
Kate öffnete die Augen, und ihr Blick fiel auf den Mann am Steuer. Er hatte ihr damals diese Welt eröffnet und sie geführt. Selbst wenn sie sich einredete, auch ohne Abenteuer leben zu können, musste sich Kate ehrlicherweise eingestehen, dass sie diese Freiheit vermisst hatte. Und Dominic ebenfalls. Sein Kuss hatte ihr bewusst gemacht, wie groß ihre Sehnsucht war. Es mochte, vernünftig betrachtet, eine verrückte, vielleicht sogar gefährliche Sehnsucht sein, aber dieses eine Mal wollte sie sie nicht verdrängen.
Sie passierten das Fischerboot, das vor ihnen den Hafen verlassen hatte. Es hatte seinen Anker und seine Netze ausgeworfen. Es waren Beutelnetze. Kate erinnerte sich an Dominics Erklärungen zu diesen breiten, mit Gewichten beschwerten Netzen, die für den Fang von Heringsfischen benutzt wurden.
Sowohl auf dem Meer als auch an Land bildeten Fischer eine
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