Ein Meer von Leidenschaft (German Edition)
Edwin Hardesty, den sie in den vergangenen Jahren auf der Insel gesehen hatte, konnte sie sich beim besten Willen nicht als Schatzsucher vorstellen. „Das ist also der Grund, weshalb er Sommer für Sommer herkam.“ Sie hielt inne, lachte verlegen und fuhr dann fort: „Du musst entschuldigen, Kate, aber dein Vater schien nicht der Typ zu sein, der solche Abenteuer … na, du weißt schon. Nun, man muss ihm lassen, dass er es verstand, sein Geheimnis zu hüten.“
„Ja, sogar vor mir.“
„Du hast nichts gewusst?“ Lindas Augen weiteten sich.
In diesem Moment ertönte ein unregelmäßiges Trommeln, und sie warf einen Blick auf ihre Tochter, die mit einem ihrer Bauklötze auf den Boden eines Plastikeimers einschlug.
„Ich habe es erst aus den Unterlagen erfahren, die ich nach seinem Tod in seinem Schreibtisch vorfand“, sagte Kate. „Ich entschloss mich dann, sein Werk fortzuführen.“
„Und zu Dominic zu kommen?“
„Ja.“ Kate strich den dünnen Baumwollstoff ihres Rockes über den Knien glatt. „Ich brauche ein Boot“, fügte sie sachlich hinzu, „und einen Taucher, möglichst von dieser Insel. Er ist der Beste.“
Linda schenkte ihr ihre ungeteilte Aufmerksamkeit. Kates Worte klangen logisch, aber ihre Stimme hatte Linda verraten, dass Kate sich diese Logik nicht nur für andere, sondern vor allem für sich selbst zurechtgelegt hatte. „Ist das der einzige Grund, weshalb du Dominic gebeten hast, dir zu helfen?“ forschte sie.
Unruhig zupfte Kate an ihrer Bluse und erwiderte leicht gereizt: „Ja, das ist der einzige Grund.“
Linda schwieg einen Augenblick. Es betrübte sie, dass ihre Freundin sich offensichtlich selbst betrog. „Kate, er hat dich nie vergessen.“
„Nein! Nein, das glaube ich nicht“, entfuhr es Kate. Sie schüttelte heftig den Kopf.
„Es stimmt aber. Kate, ich kenne ihn gut und habe ihn sehr gern.“ Linda stand auf, um Joy abzulenken, denn die Kleine hatte gerade festgestellt, dass es ihr viel mehr Spaß bereitete, die Holzklötze umherzuwerfen, als sie aufeinander zu setzen. „Obwohl er manchmal schwierig sein kann. Er ist Marshs Bruder.“ Sie platzierte ihre Tochter vor eine Reihe von Plüschtieren und nahm dann wieder neben Kate Platz. „Dominic ist auch für mich wie ein Bruder. Und du bist der erste Mensch vom Festland, zu dem ich ein enges Verhältnis habe. Deshalb möchte ich …“
„Ich verstehe“, unterbrach Kate sie. Die Versuchung war groß, ihr Herz auszuschütten, über ihre Gefühle zu sprechen. Doch sie wich aus. „Glaub mir, Linda, was zwischen mir und Dominic war, ist längst vorüber. Das Leben geht weiter.“
Linda räusperte sich. An Kate stellte sie den gleichen Unwillen fest, über sich selbst zu reden, der auch Dominic auszeichnete. So verschieden die beiden in vielen Dingen sein mochten, diese Verschlossenheit war ihnen gemein. „Wie du meinst“, gab sie schließlich nach. „Du siehst selbst, was mir in den letzten vier Jahren zugestoßen ist.“ Sie schaute mit gespieltem Entsetzen auf Joy. „Jetzt erzähle mir, wie es dir ergangen ist. Wie war dein Leben?“
„Ruhiger.“
Linda lachte. „Manchmal habe ich tatsächlich den Eindruck, dass es in jedem Zirkus beschaulicher zugeht als in diesem Haus.“
„Es war nicht leicht, meinen Doktortitel zu erlangen. Ich habe mich ganz auf dieses Ziel konzentrieren müssen“, sagte Kate. „Und wenn man anschließend Lehrerin ist, bleibt auch nicht viel Zeit für irgendetwas anderes.“
Sie stand auf und ging im Zimmer umher, unzufrieden darüber, dass ihre Beschreibung so leer und uninteressant klang. Es war damals ihr fester Wille gewesen zu lernen, weiterzukommen, und sie hatte Freude an ihrer Arbeit mit den Studenten. Jetzt, da sie zu Linda darüber sprach, hörte es sich so an, als sei ihr Leben unerfüllt und hohl.
Kate betrachtete die vielen Spielsachen, die im Raum verstreut lagen. Eine Krawatte war achtlos über die Lehne eines Stuhles gehängt worden, auf dem Lindas Handtasche stand. So unbedeutend diese Gegenstände auch sein mochten, sie wirkten wie Symbole für Familie und Zusammengehörigkeit. Eine eigenartige Furcht vor der Rückkehr in das große Haus in Connecticut erfüllte Kate plötzlich. Abrupt wandte sie sich zu Linda um.
„Dieses Jahr in Yale war faszinierend und schwierig zugleich“, sagte sie und verdrängte den Gedanken, dass ihre Worte wie eine Verteidigung anmuten könnten. „Komisch, obwohl mein Vater ja auch Lehrer war, habe ich bis dahin nicht
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