Ein Meer von Leidenschaft (German Edition)
schätzen, Marsh, danke. Sag mir bitte, wo ich mir kurzfristig ein Boot und eine Taucherausrüstung leihen kann. Ich will heute Nachmittag wieder aufs Meer hinausfahren.“
„Kate …“
„Ich fahre“, wiederholte sie. „Mit oder ohne deine Unterstützung!“
Den Rest des Vormittags verbrachte Kate damit, alle Funde in ihrem Hotelzimmer zu ordnen und sich auf die zweite Ausfahrt am Nachmittag vorzubereiten. Sie musste dann noch eine längere Diskussion mit Marsh überstehen, der erneut versuchte, sie von ihrem Vorhaben abzubringen. Kate lehnte seinen Vorschlag, sie zu begleiten, rigoros ab. Mit der Drohung, sie werde sich woanders ein Boot mieten, setzte sie ihren Willen durch.
Schließlich stand sie am Steuer der „Möwe“ und fuhr allein aufs Meer hinaus. Es war fast eine Trotzreaktion, dass sie mit Vollgas über die Wasseroberfläche sauste. Sie grübelte nicht über die Gründe für ihr Tun nach. Sie hatte einfach das Bedürfnis, schnell zu fahren.
Kate wollte nicht an Dominic denken und daran, weshalb sie ihn angeschrien hatte. Ihre Worte mochten für ihn sehr hart gewesen sein, aber sie waren sicherlich notwendig gewesen.
Diese Überlegung tröstete sie. Viel zu lange – ein Leben lang – hatte sie unter dem Einfluss anderer Menschen gestanden, fremde Erwartungen erfüllt.
Kate erreichte ihr Ziel und schaltete den Motor ab. Danach legte sie ihre Ausrüstung an und prüfte sie wieder und wieder. Sie war noch nie allein getaucht. Jetzt wollte sie es wagen. Diese Erfahrung zu machen schien ihr für die Entwicklung ihrer Persönlichkeit mit einem Mal sehr wichtig.
Nach einem letzten Blick auf den Kompass kletterte sie mit einem Drahtkorb über die Reling ins Wasser.
Je tiefer sie kam, desto größer wurde ihre Aufregung. Hier hielt sich außer ihr kein Mensch auf. Sie war ihr eigener Herr, völlig auf sich selbst gestellt.
Kate hatte es nicht eilig. Sie wollte den Rausch genießen, unabhängig zu sein und allein im Meer zu schwimmen, abgesehen natürlich von einigen neugierigen Fischen, die hin und wieder ihren Weg kreuzten. Niemand machte ihr Vorschriften, niemand gängelte sie. Sekundenlang schloss sie die Augen und ließ sich treiben. Dann setzte sie ihren Weg zielstrebig fort.
Schließlich erreichte sie den Meeresboden. Unbändiger Stolz erfüllte sie, dass sie ohne ihren Vater etwas verwirklichen konnte. Sie gab sich diesem triumphalen Gefühl hin, ohne über die Hintergründe nachzudenken. Zweieinhalb Jahrhunderte lang lag das Schiff schon auf dem Meeresboden, dann hatte sie es entdeckt. Kate schwamm im Kreis um das von Dominics Apparatur geschaffene Loch und begann mit den Händen zu fächern.
Zuerst fand sie einen Teller mit einem zarten Blumendekor am Rand. Nach einer Weile hatte sie ein halbes Dutzend dieser Teller freigelegt, von denen zwei völlig heil waren. Auf der Rückseite entdeckte sie das Zeichen eines englischen Töpfers. Später stieß Kate auch auf Tassen aus feinem Porzellan, die vielleicht einmal den Tisch eines wohlhabenden Kolonialherren hätten zieren sollen. Sie hätten Erbstücke werden können, die ihrem Besitzer sicher lieb und wert gewesen wären, hätte die Natur nicht ihre ureigenste Macht. Die ehemalige Form der Tassen war überwuchert mit Muscheln und Kalk. Kate aber glaubte durch diese Schicht hindurch die wahre Schönheit der Gegenstände zu erblicken.
Sorgfältig fächerte Kate weiter. Dabei hätte sie fast ein Teil übersehen, das wie eine dunkle Muschel wirkte. Sie schwamm näher heran. Bei genauerem Hinsehen erkannte sie eine Silbermünze. Sie konnte nicht feststellen, um welche Währung es sich handelte. Das war aber auch völlig nebensächlich. Warum sollte es nicht eventuell ein spanisches Geldstück sein?
Sie hatte gelesen, dass die spanische Währung von allen europäischen Nationen benutzt worden war, die Kolonien in der neuen Welt unterhalten hatten.
Es zählte nur, dass es sich unzweifelhaft um eine Münze handelte. Die erste. Obwohl sie aus Silber und nicht aus Gold gestanzt war, konnte Kate ihr Glück kaum fassen. Sie hatte die erste Münze entdeckt! Und zwar allein.
Gerade wollte Kate ihren Fund in den Beutel an ihrem Gürtel stecken, da wurde sie am Arm herumgerissen.
Jähe Angst erfüllte sie. Die Harpune befand sich an Bord der „Wirbelwind“. Kate war unbewaffnet.
Sekunden später erkannte sie, dass ihr keine Gefahr drohte. Dominic umklammerte ihre Schultern.
Ihre Angst machte einer ohnmächtigen Wut Platz. Musste er sie derart
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