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Ein Mensch namens Jesus

Ein Mensch namens Jesus

Titel: Ein Mensch namens Jesus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerald Messadié
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gestohlen, ganz zu schweigen von ein paar ganz besonders ausgefallenen, die wohl Fruchtbarkeitsgötter darstellten und an Obszönität kaum zu übertreffen waren. Wenn du dem Gesetz deines Gottes wieder Geltung verschaffen willst, dann dürfen deine Taten denen Simons nicht nachstehen, du wirst ihn sogar überflügeln müssen. Kannst du das? Ich frage dich: Kannst du das?«
    »Ich werde es versuchen«, sagte Jesus.
    Joasch schlug mit dem Stock ins Feuer, und glühende Funken stoben gen Himmel. Ein Symbol, aber wofür?
    »Ha!« entfuhr dem Dieb wieder, »du wirst lernen müssen! Man sagte mir, daß diese Männer Jahre gebraucht haben, um ihr Handwerk zu erlernen. Willst du bei Simon in die Lehre gehen? Nein, warte, ich antworte für dich: Du wirst es nicht tun, denn du bist stolz und unbefangen. Und doch, jener Simon birgt ein Geheimnis. Ich habe ihn heimlich berührt, und mir brannte die Hand. Außerdem erzählte mir irgend jemand, Simon sei am selben Tag in Samaria und in Jericho gesehen worden, als aber die Leute in Jericho ihn berühren wollten, hätten sie in die Luft gegriffen. Er war reiner Geist, ohne stoffliche Gestalt, verstehst du? Und er lächelte. Außerdem gibt es da noch einen anderen.«
    »Einen anderen was?«
    »Einen anderen Magier. Er wirkt in Ptolemais, in Phönizien und in Cäsarea. Er ist Grieche und heißt Apollonios. Er soll schöner sein als der lichte Tag, und die Leute sagen, er erwecke Tote zum Leben.«
    »Woher weißt du von ihm?«
    »Weil mir wieder ein anderer Berufsgenosse, dem ich im Norden begegnet bin, von ihm erzählt und dann gemeint hat: >Er ist der einzige Mensch, den ich nicht bestehlen könnte.<« Joasch lachte laut auf. Plötzlich wandte er sich Jesus zu und meinte, nun wieder ernst: »Ich könnte auch dich nicht bestehlen.«
    »Vielleicht, weil ich nicht reich genug bin«, gab Jesus lächelnd zurück. »Und du würdest trotzdem gern an deinen Vater glauben«, fügte er nach einer Weile hinzu.
    Joasch zuckte nur mit den Achseln.
    »Ich werde eine Runde schlafen. Wecke mich später, damit auch du dich noch ein wenig aufs Ohr legen kannst!«
    Er deckte sich mit seinem Mantel zu und drehte sich um. Seine reglose Gestalt konnte man kaum noch vom Erdboden unterscheiden. Dann, nach ein paar Minuten, hörte Jesus ihn in der Dunkelheit sagen: »Du glaubst, daß eines Tages alles zu Ende geht, nicht wahr?«
    »Ja.«
    »Alles, was existiert?«
    »Ja.«
    »Die Ursachen und die Wirkungen?«
    »Ja«, erwiderte Jesus, ein wenig stutzig.
    »Weil es Gottes Wille sein wird?«
    »Worauf willst du hinaus? Ja, natürlich!«
    »Weil dein Gott die Ursache von allem ist, nicht wahr?«
    »Ja.«
    »Dann wird er aber ebenso wie die anderen Ursachen verschwinden, da ja alle Ursachen und alle Wirkungen nicht mehr weiterbestehen werden.«
    »Wer hat dir das gesagt?«
    »Niemand. Ich bin ganz allein darauf gekommen.«
    Nun mußte man sogar schon Schriftgelehrter sein, um sich mit Dieben unterhalten zu können. Dieses Land war wirklich krank.
     

IXX.
     
    Die auf das Ende warten
     
    Der Dieb und sein zufälliger Weggefährte wechselten nur mehr wenige Worte bis Jericho. Jesus schien in trübe Gedanken versunken, und Joasch blickte recht griesgrämig drein. Das Kommando römischer Legionäre, dem sie kurz nach ihrem Aufbruch über den Weg gelaufen waren — es handelte sich um Syrier, die in ihren Uniformen etwas linkisch aussahen war auch nicht gerade dazu angetan gewesen, sie aufzumuntern. Erst beim Anblick der Stadt, die am Horizont auftauchte, ein einziges, in der heißen Luft verschwimmendes Flimmern in Rosa- und Grautönen, hellten sich ihre Gesichter auf. Da lag er nun vor ihnen, jener denkwürdige Ort, wo vor fünfzehn Jahrhunderten die Trompeten Josuas die Mauern der kanaanäischen Zitadelle zum Bersten gebracht hatten — es war ihnen, als sei es erst gestern gewesen. »Los, du mußt jetzt blasen!« sagte Joasch.
    Jesus schaute ihn verdutzt an.
    »Jesus, das heißt doch Josua!« meinte Joasch zwinkernd.
    »Es würde mich gar nicht wundem, wenn du ein vom rechten Weg abgekommener Schriftgelehrter wärst«, entgegnete Jesus. »Mit wieviel Jahren bist du eigentlich Dieb geworden?«
    »Mit fünfzehn. In Joppe. Mein Vater wollte einen Rabbiner aus mir machen. Ich habe ein Huhn gestohlen und mich dann auf ein Schiff geflüchtet. Erst zwei Jahre später bin ich zurückgekehrt. Alle halten mich für tot.«
    Vor den zwölf Ellen 8 hohen Mauern der Stadt blieb Jesus stehen und versuchte, sich an die

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