Ein Mensch namens Jesus
kommt.«
Joasch blickte ihn forschend an, dann sprang er plötzlich auf. Er schien etwas zu suchen, kehrte dann aber mit Zweigen zurück, deren Blätter er abzupfte. Aus einem Beutel, den er seitlich an seinem Gewand trug, zog er zwei Wachteln und rupfte sie, um sie dann auf die Zweige zu spießen.
»Hol ein wenig Holz und trockenes Gras!« bat er Jesus.
Dicht an einer eingefetteten Lunte rieb er einen Feuerstein gegen ein kurzes, schrägkantig zugeschnittenes Eisenstück. Eine rötliche Flamme züngelte empor, die er sofort ans dürre Gras hielt, über das er das von Jesus herbeigeschaffte Holz legte. Innerhalb kurzer Zeit brannte ein munteres Feuer, über dem Joasch die Wachteln briet, von denen er dann eine seinem Gefährten reichte. Amüsiert beobachtete er, wie Jesus, die Wachtel zwischen Daumen und Zeigefinger der linken Hand, mit der Rechten zum Herrn betete. Jeder aß seine Wachtel und ein paar Feigen. Auch ein wenig Brot, das eigentlich für die Römer gebacken worden war, ließen sie sich schmecken; dazu tranken sie den Wein, der, wie Joasch schon angekündigt hatte, wirklich gut war. Jesus sprach die Danksagung.
»Betest du so vor und nach jeder Mahlzeit?« wollte Joasch wissen. Jesus nickte.
»Warum hast du dann deine Gebete nicht an mich gerichtet, denn mir hast du das Essen doch zu verdanken?«
»Und von wem hast du es wiederum?«
»Ich habe mir die Mahlzeit selbst geschenkt. Warum sollte dein Gott mir zu essen geben?«
»Weil er dein Vater ist.«
»Er? Der Vater eines Diebes?« spöttelte Joasch.
»Wessen Sohn solltest du denn sonst sein?« fragte Jesus und hüllte sich in seinen Mantel.
»Der des Teufels, zum Beispiel«, erwiderte Joasch, während er im Feuer herumstocherte.
Aus der Glut stob eine Wolke flimmernder Funken.
»Du weißt, daß es unrecht ist zu stehlen, also weißt du auch, wo du zu Hause bist«, sagte Jesus und traf Anstalten, sich hinzulegen. »Joasch, das ist ein jüdischer Name. Folglich bist du Jude, und du hast einen Vater.«
»Ein Zuhause, einen Vater!« murrte Joasch vor sich hin. »Mein Haus ist verfallen, und ich bin ein Bastard. Bloße Worte! Dieses Land ist eine einzige Kloake. Letzten Monat erwischten mein Kumpel — der, den sie vor kurzem festgenommen haben — und ich einen Reisenden mit seiner Familie auf der Straße zwischen Jerusalem und Jericho. Nicht daß du denkst, wir arbeiteten hier im Süden immer so, aber wir hatten seit längerer Zeit niemanden mehr überfallen. Nun, ein alter, sabbernder Priester war uns da in die Hände gefallen, der mit seiner Frau und seinen Söhnen unterwegs war. Seine Söhne waren tapfer, aber dumm; jeder bekam einen Schlag mit dem Knüppel auf den Kopf, und schon lagen sie flach. Der Priester setzte zu einem großen Wehgeschrei über unsere Gottlosigkeit an, winselte, wie arm er und wie schlecht die Welt doch sei, und so weiter. Daraufhin schlug er vor, uns ein wenig Geld zukommen zu lassen, wenn er in Jericho angelangt sei. Er plärrte so laut, daß ich ihm eine Ohrfeige verpassen mußte. Wir durchwühlten das Gepäck. Seine Frau hielt einen schönen Batzen Gold- und Silbermünzen versteckt, drauf gesessen hatte sie, lauter Gold und Silber, noch schön warm von ihrem Hintern. Und wie sie geschrien hat! Wie ein Hühnchen, das man bei lebendigem Leibe rupft! Auch ihr versetzten wir einen beruhigenden Klaps. Dann mußten wir natürlich den Priester tadeln, weil er gelogen hatte — ich habe ihm das Ohr ein wenig umgedreht — , und schließlich banden wir die beiden Jungen auf ihre Esel und peitschten die Kruppen der beiden anderen Tiere. Jener Priester trug den schönen Namen Secharja. Wir hatten ihn schon fast vergessen, als wir einige Tage später nach Bet-Araba gingen, um Messer, gute syrische Klingen, zu kaufen. Dort begegnete uns ein anderer Dieb, mit dem wir früher ein oder zwei Dinger gedreht hatten. >Was? Ihr habt den Priester Secharja beraubt?< Er bog sich vor Lachen. Wir fragten ihn, was daran so lustig sei? Und da klärte er uns auf — Samuel heißt er übrigens — , daß jener Priester als einer der größten Diebe im ganzen Land galt. Ein verdorbenes Land, sage ich dir. Jeder bestiehlt, wen er kann, und diejenigen, die von Gut und Böse reden, sind möglicherweise die allergrößten Halunken. Aber ich spreche nicht von dir, du bist ein armer Teufel, ein ganz unbedarfter, und ärmer noch als Ijob. Bist du Priester?«
»Nein.«
»Was suchst du dann in Qumran? Das ist ein verkommener Ort, das Tor zur Hölle,
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