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Ein Mensch namens Jesus

Ein Mensch namens Jesus

Titel: Ein Mensch namens Jesus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerald Messadié
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vergaß ich vorher zu sagen — , stellt einige Fragen. Warum ist das Mädchen stumm geworden? Wer war anwesend, als sie die Stimme verlor? Hatte sie im Licht des Vollmonds geschlafen? Welche Worte hatte der Vater zuletzt an sie gerichtet? Dieser antwortet, er habe das letzte Mal mit ihr gesprochen, als er ihr mitteilte, daß er sie seinem zweiten Vetter zur Frau geben wolle. >Gehen wir zu ihr<, meint Simon. Es bildet sich ein Zug, der zum Haus des Vaters marschiert, einem kleinen, glatzköpfigen Mann, runzlig wie eine getrocknete Feige; Jesaja, Sohn des Josef, heißt er, glaube ich. Er ist Zedernholz- und Weinhändler. Leichenblaß vor Aufregung ist er also, es fehlt nicht viel, und auch ihm verschlägt es noch die Sprache. Die anderen haben es natürlich sehr wichtig und wieseln geschäftig umher. Das Mädchen liegt auf seinem Bett, vierzehn oder fünfzehn Jahre mag es alt sein, höchstens, und es ist wirklich totenbleich. Ein Zittern überläuft seinen Körper, sobald es Simon bemerkt, sogar das Bett zittert und auch die Mutter, die das Mädchen hält, ein richtiges Erdbeben ist das. Simon holt ein Döschen aus seinem Ärmel hervor, öffnet es und stäubt mit raschen Gesten dem Mädchen ein wenig Pulver unter die Nase. Entsetzlicher Gestank breitet sich im ganzen Raum aus, und Simon spricht mit Donnerstimme: >Dämon im Körper dieses Mädchens, nenn deinen Namen, ich befehle es dir!< Das Kind zittert und zuckt entsetzlich am ganzen Leib, es weint, es schreit. >Im Namen des Großen Geistes, des Herrn aller Mächte, die über und unter dieser Welt herrschen, nenn deinen Namen, Dämon!< brüllt Simon. Er ohrfeigt die Besessene, während seine Schüler ihr leichte Schläge auf die übrigens recht hübschen Oberschenkel versetzen. Sie schreit, beginnt unverständliche Worte zu stammeln. Ja, sie spricht! Ich verstehe nicht, was das Mädchen sagt, aber einer von Simons Schülern ruft plötzlich: >Sie hat Anaboth gesagt! Der Dämon hat seinen Namen genannt, Anaboth, die grüne Kröte.< Die Mutter fällt in Ohnmacht, die Nachbarn haben das Haus gestürmt, der Vater liegt auf den Knien, berührt mit dem Kopf den Boden und betet zum Herrn, ein Drunter und Drüber herrscht im Haus, wie es schlimmer gar nicht sein kann, und über dem ganzen Spektakel erhebt sich Simons mächtige Stimme: >Anaboth, ich befehle dir, auf der Stelle aus dem Körper dieses Mädchens auszufahren! Geh und kehre nie mehr zurück! Sprich, Mädchen, sprich! Ich gebiete es dir!< Das Mädchen stammelt: >Mutter! Mutter!< Dann verliert es ebenfalls das Bewußtsein. In einer Zimmerecke entdecken wir den Rabbiner, bleich wie die Wand ist er, und seine Augen glühen. Man tränkt Handtücher in Essigwasser und Kampfer und schlägt sie den ohnmächtigen Frauen ins Gesicht. Alles redet durcheinander, einzig und allein Simon bewahrt die Ruhe. Er erklärt der Versammlung, daß Anaboth der dreizehnte große Dämon sei, der Hüter schändlicher Geheimnisse, und daß er ins Haus gekommen sei, weil jemand solch ein Geheimnis zu verbergen habe. Die Mutter, die ihr Bewußtsein wiedererlangt hat, beginnt zu kreischen: >Das ist wahr, das ist wahr! Der Herr möge mir verzeihen, ich wollte nicht, daß dieses Kind zur Welt kommt! Erbarmen, Herr!< Das Mädchen, das nun auch wieder bei Sinnen ist, sagt, es habe Durst, und sogar von der Straße herauf hört man die Leute rufen: >Ein Wunder!< Simon nimmt seine zwei Sesterzen in Empfang, und der Rabbiner scheint plötzlich nicht mehr ganz bei Trost zu sein, denn er schlägt sich wie besessen an die Stirn. So, und du, mein Sohn, du sprichst also davon, dem Gesetz des Herrn in Palästina wieder Geltung verschaffen zu wollen? Da fragt sich nur, welches Herrn? Der deine — denn meiner ist er nicht mehr — , Jahwe, hat ernstzunehmende Konkurrenten, wie du siehst. Jener Simon wirkte im Namen des Großen Geistes, wer immer das auch sein mag. In Palästina reiht sich ein fremder Tempel an den anderen, Jupiter oder Zeus sind sie geweiht, Apollo, Minerva und unzähligen anderen Göttern, alles Tempel, die von den Römern erbaut wurden; und dann gibt es auch noch die zu Ehren von Isis, Osiris, Mithras und Baal. Wenn sie von deinem Jahwe nicht das bekommen, was sie gern hätten, laufen die Juden klammheimlich zum gefügigsten unter den anderen Göttern über, damit er ihre Bitten erhört. Und ich weiß, wovon ich rede, denn ich habe aus den Beuteln der Juden und den Röcken ihrer Frauen kleine Statuen und Goldamulette dieser fremden Götter

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