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Ein Mensch namens Jesus

Ein Mensch namens Jesus

Titel: Ein Mensch namens Jesus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerald Messadié
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riefen einige Frauen.
    »Eine Prostituierte, die ihren Körper an Männer verkauft, welche ihre Triebe nicht zu mäßigen wissen, ist mir lieber als eine Frau, die sich zu dieser widernatürlichen Übung hergibt, noch dazu unter dem Vorwand der Vertiefung geistiger Erkenntnis!« schrie Jesus.
    Ein paar Männer standen auf, um ihn zu bändigen. Er war bleich vor Zorn. Apollonios runzelte die Augenbrauen.
    »Sicher haben uns eifersüchtige Mitglieder einer anderen Sekte diesen Mann als Spion untergeschoben«, erboste sich Damis, während die Frauen Jesus zu befreien suchten.
    »Hört mir zu!« schrie Jesus. »Gelehrte Worte können zu jeglicher Art von Abartigkeit mißbraucht werden!«
    Die Männer packten ihn, um ihn zum Schweigen zu bringen; sie machten Anstalten, ihn aus dem Wäldchen hinauszuzerren.
    »Laßt ihn sprechen!« befahl Apollonios.
    »Jener Äther, von dem man euch die Ohren vollredet, ist Gott. Aber Gottes Wege sind viel einfacher und geradliniger als die gewundenen Gedankengänge, denen ihr hier folgen müßt.«
    »Du Schwachkopf!« beschimpfte ihn Damis, und weitere Gefolgsleute taten es ihm nach.
    »Hört mir zu!« rief Jesus. »Seht her!« Außer sich vor Zorn, riß er sich von den Männern los, die ihn in festern Griff hielten. Er streckte seine Hände der ihm nächststehenden Fackel entgegen. Die Flamme knisterte, rauchte und erlosch. »Seht her, dies ist die Kraft Gottes, die in jedem von uns steckt, nicht der Äther!« Er hielt die Hände über eine weitere Fackel, die zischte und rot aufglühte, bevor sie erstarb. Bestürzung machte sich breit. Die Frauen kreischten in der Dunkelheit, die Männer versuchten die Fackeln wieder anzuzünden. »Glaubt an Gott, an Gott allein!« schrie Jesus.
    Plötzlich stand er im Dunkeln Apollonios gegenüber. »Wer bist du?« fragte dieser.
    »Ein Diener des Herrn. Lehre nicht so dummes Zeug! Setz deinen Verstand besser ein!«
    Verstört und abgekämpft verließ er das Wäldchen. Er kehrte in den Laden zurück und legte sich vor die Särge, die den Duft frischen Zedernholzes vom Libanon-Gebirge verströmten. Einen Messias! Hatten die Menschen wirklich nicht mehr Verstand im Kopf? Dositheus, Simon, Apollonios — die sollten Erlöser sein? Aufschneider, Verkünder haarsträubender Albernheiten, Phrasendrescher — das waren sie! Herr, betete er stumm, mach, daß die Erde sich auftut mit entsetzlichem Tosen, daß Blut vom Himmel regnet und die Flüsse sich schwarz färben, daß die Dummköpfe sich in schreiende Esel verwandeln, in brennende Schweine oder zahnlose Ratten, aber tu etwas! Dann überfiel ihn der Schlaf.
    Er träumte. Im ersten der längs an der Wand aufgestellten Särge lag Elias, im zweiten Jesaja, im dritten Ezechiel und im vierten sein Vater Josef. Ezechiel bohrte ein Loch in den Sargdeckel, und durch dieses Loch strömte Licht hervor. Im Morgengrauen erwachte er. Es schien ihm, als sei dies das erste Morgengrauen, das dieses Namens würdig war. Eine herumstreunende Katze schlich in das Geschäft und miaute. Dann kam die alte Frau, deren Enkel er geheilt hatte, mit Brot und warmer Milch.
    »Mein Enkelsöhnchen strotzt heute morgen vor Gesundheit wie eine junge Dattelpalme«, erzählte sie. Es schien ihr ganz selbstverständlich, daß es dem Jungen soviel besserging. »Bring mir die Schale zurück, wenn du fertig bist!« bat sie ihn noch beim Gehen.
    Er goß für die Katze ein wenig Milch in ein Schüsselchen, und sie leckte sie genußvoll aus.
    »Wenigstens du bist vernünftig«, sagte er zu ihr. Am liebsten hätte er Antiochia auf der Stelle verlassen, aber er fühlte sich dem Sarghändler verpflichtet.
    Der Mann, der übrigens Salathiel hieß, kam früh und freute sich sichtlich, Jesus schon wach und zur Arbeit bereit anzutreffen. Er führte ihn in den Holzschuppen, wo er ihm die Werkzeuge und Firnistöpfe zeigte. Gegen vier Uhr nachmittags hatte Jesus den ersten Sarg fertiggestellt. Warum legte man die Toten in Antiochia nicht einfach in die Erde? Er holte Salathiel, der die Kiste an verschiedenen Stellen prüfend abklopfte und dann strahlend ausrief: »Perfekte Arbeit! Laß ihn uns gleich lackieren! Ich habe von den restlichen vier schon zwei verkauft, sie werden jeden Augenblick abgeholt. Schlaganfälle.« Dann sah er Jesus von der Seite an und fragte: »Warst du gestern abend im Daphne-Hain? Ich erkundige mich deshalb danach, weil die Alte von der Bude hier in der Nähe erzählt hat, du habest sie nach dem Weg gefragt.«
    »Ja, und?« meinte

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