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Ein Mensch namens Jesus

Ein Mensch namens Jesus

Titel: Ein Mensch namens Jesus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerald Messadié
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Josef, Sohn des Justus, und das ist Salome, Tochter des Simon. Und du, wer bist du?«
    »Ich bin Jesus, euer Onkel. Kann ich hereinkommen, mit meinen Freunden?«
    Die Kinder rissen die Augen auf. Salome errötete und rannte ins Haus zurück. »Jesus ist da!« rief sie in die Wohnstube hinein.
    »Was? Was hast du gesagt?« fragten mehrere Stimmen gleichzeitig, und sie mußte es wiederholen. Jesus lächelte und nahm den kleinen Josef auf den Arm.
    »Was ist denn?« fragte er das Kind. »Hast du die Sprache verloren? Weißt du, wer ich bin?«
    »Du bist ein Prophet«, antwortete der Kleine und legte ihm den Arm um den Hals. Lautes Stimmengewirr im Hausinnern kündigte großen Trubel an. Fünf weitere Kinder erschienen, und hinter ihnen Maria. Noch andere tauchten auf, die Jesus jedoch nicht beachtete, da er nur seine Mutter ansah.
    Sie streckte die Hände nach ihm aus und rief leise, wie für sich selbst: »Mein Sohn!«
    Er ging auf sie zu und faßte sie mit einem Arm um die Schulter, da er auf dem anderen ja noch immer den kleinen Josef hielt. Sie umarmte alle beide und weinte still. Nun traten auch die anderen vor, zunächst Judas, dann Jakobus und ein paar Frauen, die er nicht kannte.
    Maria wischte sich die Tränen ab und sagte lächelnd zu ihm: »Wie du dich verändert hast! Du bist noch größer geworden, seitdem du fortgegangen bist.«
    Auch Jakobus und Judas umarmten ihn unter ständig wiederholten Ausrufen: »Gepriesen sei dieser Tag!« Sie stellten ihm ihre und auch Simons und Justus’ Kinder vor, schickten nach Lydia, Lysia und deren Familien und nach Simon und Justus. Alles ging drunter und drüber, Rufe, Segenssprüche, Lachen, abgerissene Sätze — kurz, es herrschte ein freudiges Durcheinander. Jesus stellte seine Gefährten vor. Dann eilten die Frauen, allen voran Maria, in die Küche, um eine Mahlzeit zuzubereiten. Als sich Maria dabei noch einmal nach ihm umdrehte, wurde ihm in diesem Augenblick zum erstenmal bewußt, daß sie eine hübsche Frau gewesen war und daß er das nie bemerkt hatte. Die Kinder zogen ihn an den Händen und unterbrachen so dieses Zwiegespräch der Augen. Alle setzten sich im Kreis um ihn herum.
    »Wo warst du?« fragte Judas.
    »Im Orient, jenseits des Meeres.«
    »Und was hast du gesehen?«
    »Die anderen.«
    »Die anderen?« fragte Jakobus.
    »Ja, die anderen«, wiederholte Jesus. »Die Juden sind schließlich nicht die einzigen Bewohner dieser Erde.«
    »Was braucht es einen Juden zu kümmern, wer die anderen sind?« fragte Justus. »Genügt es denn nicht, wenn wir schon mit den Römern zu schaffen haben?«
    »Die anderen sind ebenso Geschöpfe Gottes«, entgegnete Jesus. »Auch sie glauben an eine über alles erhabene Macht, auch wenn es nicht dieselbe ist, an die wir glauben.«
    »Es sind doch Heiden!« rief Jakobus aus.
    »Indem wir Worte vor uns aufbauen wie Schutzschilde, werden wir unsere Probleme nicht lösen.«
    »Aber sie respektieren nicht das Gesetz!«
    »Oh, was das angeht, so bin ich der Meinung, daß sich die größten Heiden wohl im Stadtgebiet von Jerusalem finden dürften, denn dort ist man zwar über das Gesetz im Bilde und wird in seinem Sinne unterrichtet, nur achten will man es nicht.«
    Betretenes Schweigen lastete im Raum.
    »Mein Vater, der auch euer Vater war, ist verfolgt worden, und zwar nicht von den Römern, sondern von den Leuten aus Jerusalem«, fuhr Jesus fort. »Ich denke nicht, daß ihr das vergessen habt. Und wenn es schon einmal klar heraus gesagt werden muß, dann hier und jetzt: Ein Heide ist mir bei weitern lieber als ein scheinheiliger Jude.«
    »Bist du etwa nach Israel zurückgekehrt, um uns den Glauben der Heiden zu lehren?« fragte Justus.
    »Nein«, antwortete Jesus nicht ohne Aggressivität, »ich bin zurückgekommen, um unserem Gesetz in seiner eigentlichen Bedeutung wieder Geltung zu verschaffen. Und nicht, um mich unter diejenigen zu reihen, die die Bücher nur mit den Lippen lesen, oder unter jene, denen das Schicksal der Juden zwar gleichgültig ist und die in der Wüste auf die Feuersbrunst des letzten aller Tage warten, sich gleichzeitig aber trotzdem als Juden bezeichnen.«
    Solche Rede war es nicht gewesen, die sie hatten hören wollen. Andreas, Simon und der neugewonnene Gefährte Philippus blickten sichtlich erstaunt und befremdet in die Runde: hier eine skeptisch in Falten gelegte Stirn, dort ein Paar niedergeschlagene Augen oder auch ein verständnisloses Seufzen. Die Frauen waren aus der Küche herbeigeeilt, um

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