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Ein Mensch namens Jesus

Ein Mensch namens Jesus

Titel: Ein Mensch namens Jesus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerald Messadié
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unsichtbare Zitadelle und suchte nach ihrer schwächsten Stelle. War es Jerusalem? Nein, die Zitadelle, die er da ganz allein belagerte, war viel größer, auch wenn sie der Stadt ähnelte. Dieser Tempel und die Machenschaften dieser Kohorte gottloser Priester darin erschienen ihm jetzt nahezu lächerlich. Trotzdem ärgerte es ihn, daß er die Wegstrecke, die er seit jenem Verhör durch Mattathias vor Jahren zurückgelegt hatte, nicht klar erkennen konnte.
    Nach einer Weile erst bemerkte er, daß seine Gefährten, die ihm seit der Begegnung mit Philippus gefolgt waren, ihre Schritte den seinen anglichen. Philippus, der nun neben ihm ging, sah ihn erwartungsvoll — gewiß waren die beiden Werber die Urheber dieser Erwartung — von der Seite an. Jesus erwiderte seinen Blick und lächelte.
    »Andreas und Simon haben mir soeben gesagt, wer du bist«, traute sich Philippus endlich zu sagen und sah ihn weiter fragend an.
    Jesus schwieg.
    »Sie sagen, daß du der Messias bist«, beharrte Philippus.
    »Der Mensch schafft, was er glaubt«, antwortete Jesus.
    »Ich bin wie sie bereit, daran zu glauben«, sagte Philippus.
    »Aber wie du siehst, habe ich weder Zepter noch Krone«, entgegnete Jesus. Vielleicht würde er dank der Hoffnung solcher Männer doch eines Tages die Truppen ausheben, die zur Belagerung der Zitadelle nötig waren. Und wenn nicht, wer war er dann?
    »Wer weiß, vielleicht ist gerade das das Erscheinungsbild des Messias. Ein geheimer Bote, dessen Macht sich erst dann zeigen darf, wenn der Tag und die Stunde gekommen sind«, meinte Philippus.
    Der Gedanke war neu. Jedenfalls kam er unerwartet, von einem Grünling, wie es dieser Philippus war. Sie waren vor der Synagoge angelangt. Jesus blieb stehen. »Jeder könnte es also sein«, bemerkte er. »Und woher soll man wissen, ob man recht hat oder nicht?«
    »Das stimmt«, räumte Philippus ein, »aber es wird schon einen Grund dafür geben, daß man gerade dich für den Messias hält.« Jesus grübelte darüber nach, ohne jedoch eine Antwort zu finden. Er schüttelte leicht den Kopf und betrat das Gebäude, wo er nach der Adresse seiner Brüder fragen wollte. Von einem weißhaarigen Geistlichen erfuhr er, daß Justus und Jakobus mit ihren Familien im Haus ihres Vaters lebten, während Simon und Judas sich mit Lydia und Lysia das Nachbarhaus teilten. Der Geistliche trat auf die Stufen vor dem Eingang der Synagoge, um dem fremden Besucher das erstere der beiden Häuser zu zeigen.
    »Es gehörte einem Priester namens Josef, aus dem Stamme Davids. Ein sehr geachteter Mann, aber schwierig im Umgang«, erzählte er leutselig. »Niemand weiß eigentlich so recht, warum er sich in hohem Alter mit einer sehr viel jüngeren Frau ein zweites Mal verheiratet hatte. Sie lebt noch, im Haus von Lydia. Es heißt, sie hätte einen Sohn...«
    »Das bin ich«, sagte Jesus kurz angebunden.
    Der Geistliche starrte den jungen Mann mit zusammengekniffenen Augen an. »Man erzählt sich so einiges über dich«, murmelte er nur, bevor er wieder in der Synagoge verschwand.
    Jesus blieb gedankenverloren auf der Treppe stehen. Die Bedrohlichkeit, die in den Worten des Rabbiners gelegen hatte, klang noch in ihm nach. Ein Kind kam mit einem Huhn unterm Arm vorbei, starrte ihn an und kratzte sich dann zwischen den Beinen. Sie schlugen den angegebenen Weg ein. Unvermittelt stürmten die Erinnerungen auf ihn ein. Maria, wie sie am Faden eines Kreisels zog, um ihm zu zeigen, wie er mit dem Spielzeug umzugehen hatte; an dem kleinen Kreisel, der da auf der Erde herumhopste, hatte sie dabei fast mehr Spaß gehabt als er. Maria, wie sie sich in der Hitze am Küchenherd den Schweiß von der Stirn wischte. Marias Gesicht, das sich an einem Abend, als er sich erkältet hatte und im Bett lag, liebevoll über ihn beugte. Und der erste Blick, erstaunlich gefaßt und merkwürdig lang, den sie auf Josefs Leichnam geworfen hatte. Er hatte damals den Eindruck gehabt, als ob sie vom toten Josef eine Antwort erwartete, die er ihr zu seinen Lebzeiten nie gegeben hatte. Eine Antwort auf welche Frage?
    Als sie vor der Tür angelangt waren, klopfte er. Zwei Kinder öffneten, ein etwa sieben oder acht Jahre alter Junge und ein Mädchen, das vielleicht zwölf oder dreizehn war und sie mit dem eigenartig verstellten Blick musterte, der so typisch für heranreifende junge Mädchen war.
    »Wer seid ihr denn?« fragte er ganz spontan und wurde sich gleich darauf bewußt, wie unpassend seine Frage war.
    »Ich heiße

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