Ein Mensch namens Jesus
ist auch der Grund, weshalb die Ägypter ebenfalls den Verzehr von Schweinefleisch zu unterbinden suchen.«
»Und Brot von Samaritern!« murmelte Andreas fassungslos. Philippus erkundigte sich unterdessen bei einem Vorübergehenden nach einer Herberge, die nach Möglichkeit von einem Griechen oder Syrier bewirtschaftet sein sollte.
»Jetzt reicht es aber!« brauste Jesus auf. »Ihr würdet lieber im Haus eines Heiden übernachten als in dem eines samaritischen Juden, nur weil eure Väter und die Väter eurer Väter mit den Samaritern Streitereien gehabt haben!«
Nun wandte er sich an den Angesprochenen und erklärte ihm, es habe da ein Mißverständnis gegeben, und sie suchten eine von einem Samariter geführte Herberge.
»In der Parallelstraße zu dieser hier findet ihr eine«, war die Auskunft des Mannes.
Mit energischen Schritten ging Jesus den vieren voran. Sie folgten ihm nur widerstrebend, aber da sie sich nun einmal zu ihm bekannt hatten...
Der Herbergswirt deckte einen Tisch für sie. Immer noch schimpften Andreas und Simon leise vor sich hin, daß sie keinen Bissen samaritischer Speisen essen wollten. »Im Jahr, als ich geboren wurde«, sagte Andreas grimmig, »haben sie den Tempel entweiht, indem sie am Vorabend des Passah-Festes Totengebeine in das Allerheiligste geworfen haben. In jenem Jahr ist das Passah-Fest ausgefallen.«
»Der Tempel ist so oder so der Sitz der Sünde«, antwortete Jesus und trank seinen ersten Schluck samaritischen Weins.
»Hast du eigentlich vor, das Wort Gottes zu predigen, indem du den Leuten sagst, daß du Schweinefleisch gegessen hast und daß die Samariter gute Juden sind?« fragte Simon. »Man wird dich steinigen und uns gleich mit.«
»Mitgefangen, mitgehangen«, erwiderte Jesus ungerührt. Tatsächlich aß er allein, während die anderen sich mit Datteln und Wein begnügten.
Als er seinen leeren Teller von sich schob, kam der Wirt an seinen Tisch und beugte sich zu ihm hinunter, um ihm aufmerksam ins Gesicht zu sehen. »Wie ist es möglich, daß sich ein Jude dazu herbeiläßt, mein Brot zu kauen, ohne es wieder auszuspucken? Ich habe gehört, was deine Begleiter gesagt haben und auch, was du ihnen geantwortet hast. Wie kommt es, daß du so anders denkst?«
»Vielleicht, weil ich mir den Spruch gemerkt habe, der besagt, daß der Herr denjenigen verabscheut, der einen Streit zwischen Brüdern hervorruft.«
»Ja, sind wir denn plötzlich Brüder?«
»Haben wir nicht denselben Gott?«
Der Wirt wischte nachdenklich den Tisch ab. »Und weshalb haben wir uns dann überworfen?« murmelte er vor sich hin.
»Wegen nichts als ein paar Worten«, antwortete Jesus. »Und weil die einen wie auch die andren glaubten, Gott zu ihrem alleinigen Eigentum machen zu können. Das heißt, weil wir auf beiden Seiten überheblich waren.«
»Und du meinst, jetzt sind wir es nicht mehr?«
»Vielleicht ist es Zeit, daß wir uns endlich darüber klarwerden, daß uns weder Gott noch seine Worte gehören.«
Andreas, Simon, Philippus und Natanael verfolgten mit Unbehagen das Gespräch.
»Und du hast Schweinefleisch gegessen«, fuhr der Wirt nun fort.
»Ja, ich habe Schweinefleisch gegessen.«
»Du warst sicher betrunken?«
»Keinesfalls. Ist das Schwein nicht auch ein Geschöpf Gottes? Sollte Er es etwa nur zum Nutzen der Römer erschaffen haben?«
Der Wirt verschränkte die Arme und wandte sich diesmal an alle fünf: »Was ist los in Palästina? Da tut sich doch was! Ein Eremit namens Jokanaan verkündet überall, der Messias sei gekommen und Jesus hieße er. Ein vernünftiger und jüdischer Mann erzählt mir, daß er Schweinefleisch gegessen hat, und ich nehme nicht einmal Anstoß daran. Ich möchte nur wissen, was das alles soll!« Er hob die Arme und ließ sie auf seine Oberschenkel fallen.
Jesus dachte lange über diese Frage nach. Die Juden waren unruhig geworden, das war die ganze Erklärung. Als er vom Waschraum zurückkam, wo er sich gründlich gesäubert hatte — die Straße war sehr staubig gewesen fand er Natanael im Schlafraum mit gesenktern Kopf an der Wand lehnend vor.
»Der Waschraum ist hinten im Hof«, sagte er zu ihm.
Natanael hob den Kopf und sah ihn traurig an. »Ich muß wieder gehen«, sagte er.
»Und warum?«
»Du bringst mich völlig durcheinander. Alles, woran ich immer geglaubt habe, veränderst du. Auf diese Art und Weise werde ich noch verrückt.«
»Vorhin hast du mir gesagt, ich sei für dich die Freiheit. Ich vermag dich also nicht aufzuhalten.
Weitere Kostenlose Bücher