Ein Mensch namens Jesus
angebliche Gebell Rom erreicht und man zu flüstern beginnt, daß der Tetrarch seine Autorität verliert?«
Herodes schritt im Zimmer auf und ab. »Was schlägst du vor?« fragte er.
»Handle! Laß diesen Jokanaan verhaften und zum Tode verurteilen!« schrie Herodias.
»Um einen Aufstand zu entfachen!« rief er. »Er gilt als heiliger Mann und hat viele Schüler.«
»In einigen Wochen«, sagte Herodias und richtete sich plötzlich auf, »wird er noch mehr Schüler und noch mehr Macht haben, und seine Beleidigungen werden noch unverschämter sein. Dann wirst du dich nicht mehr fragen, ob du ihn verhaften mußt, du wirst dich seiner so schnell wie möglich entledigen. Aber in der Zwischenzeit, mein Gebieter, werden die Schäden, die er dir und auch mir eingebracht hat, noch viel schlimmer geworden sein. Du wirst ihn früher oder später zum Schweigen bringen müssen, und es wird am besten sein, wenn es früh geschieht!«
Herodes dachte über die Warnung nach und sagte dann: »Ich kann ihn im Moment nicht verhaften lassen; er ist in Samarien, außerhalb meiner Gerichtsbarkeit.«
»Na, das ist aber ein Problem!« schrie Herodias. »Erkläre die Sache dem Konsul, und er wird dir helfen. Oder möchtest du, daß ich es für dich tue?« fügte sie mit einem gehässigen Lächeln hinzu.
»Nichts wirst du tun. Laß mich darüber nachdenken. Wirst du mit mir essen oder nicht?«
»Solange diese Sache nicht geregelt ist, wird jede Nahrung nach Gift schmecken.«
Herodes wollte schon gehen, als Herodias so heftig aufsprang, daß sie eine Sandale verlor.
»Noch was«, sagte sie, während ihr Mann ihr den Rücken zuwandte, »in deinem eigenen Reich, in Galiläa, gibt es einen Freund von diesem Jokanaan, einen gewissen Jesus, der auch dabei ist, Leute um sich zu versammeln. Man sagt überall, er sei der Messias. Du weißt, was das heißt, nicht wahr, er wäre dann ein Nachfahre Davids, mit anderen Worten, er wäre der wahre Herr über die fünf Provinzen. Was halten deine weisen Berater davon? Daß das nur Gebell ist?«
»Das ist Sache des Hohenpriesters«, erwiderte Herodes. »Er ist darüber vollkommen im Bilde.« Und er ging hinaus.
Herodias knurrte vor Wut. Dann begegnete sie dem Blick der Amme, die anscheinend etwas sagen wollte.
»Was ist?« fragte Herodias.
»Kein Mann und noch weniger ein Tetrarch erträgt es, von einer Frau regiert zu werden. Vielleicht mußt du einige Zeit Gleichgültigkeit Vortäuschen. Er ist intelligent genug, um zu wissen, wo seine Interessen liegen. Früher oder später wird er diesen Mann zum Schweigen bringen.«
»Und wenn es dann zu spät ist?«
»Wir werden einige Tage warten. Geh zu ihm zum Essen. Das ist viel geschickter. Du hast die Macht deines Gehirns bewiesen. Jetzt zeig deine Weiblichkeit.«
Herodias glättete sich träge die Haare. Die Amme reichte ihr einen Topf mit parfümiertem Fett. Herodias sah sie an. Die Amme hielt ihrem Blick stand und nickte, reichte ihr weiter den Topf hin. Herodias ließ es zu, daß sie näher kam und ihr Arme und Brust massierte. »Geh zum Teufel!« flüsterte sie, während die knochigen Hände der Alten unter ihre Achseln griffen und die vom Alter trüb gewordenen Augen in die ihren tauchten. Schließlich deutete Herodias ein Lächeln an. Die Amme kniete sich hin, um ihrer Herrin die Füße zu massieren. Schließlich verließ Herodias das Zimmer, voraus ging eine Sklavin und hinter ihr eine andere. Die Amme hörte, wie sich das Klappern der Sandalen entfernte, kauerte sich in eine Ecke und bohrte mißmutig in der Nase.
Einige hundert Ellen entfernt, im Haus des Hohenpriesters, wurde auch gerade das Abendessen aufgetragen. Nachdem er sich nach dem Ritual die Hände in einem Kupferbecken gewaschen hatte, in das ein Levit Wasser aus einer Kanne goß, wandte sich Hannas, Führer aller Rabbiner Palästinas, dem Saal zu, in dem das Essen serviert wurde. Ein einziger Gast folgte ihm, sein treuer Vertrauter Gedalja. Sie blieben vor dem Tisch stehen und beteten mit halblauter Stimme, setzten sich dann zu einem Mahl aus gefülltem Rebhuhn mit Rosinen.
»Dieser Rabbi aus Nain... Wie hieß er noch?« sagte Hannas. »Perez.«
»Ja, Perez«, fuhr Hannas fort, der energisch sein Geflügel entbeinte, »nun, er hatte nicht unrecht. Die Ereignisse geraten ein bißchen außer Kontrolle, Findest du nicht? Wie ich hast auch du Berichte erhalten. Dieser Jesus tut so, als sei er der Herr von Kafarnaum. Rekrutiert seine Helfer in der Synagoge, also wirklich! Wir
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