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Ein Mensch namens Jesus

Ein Mensch namens Jesus

Titel: Ein Mensch namens Jesus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerald Messadié
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Tod der Welt! Glaubst du, daß der Herr sich darum kümmert, ob die Juden am Sabbat Wasser lassen oder nicht? Glaubst du, daß auch ich mir vorstelle, daß Gott von Seinen Geschöpfen nur den Verzicht auf das Leben erwartet?« Er seufzte.
    »Und was wirst du tun?« fragte Nikodemus weiter. »Was wird der Messias tun?«
    »Wir werden die sichtbaren und unsichtbaren Gebäude zerstören, die die luden erbaut haben, um das Licht Gottes zu verdunkeln. Wir werden Körper und Seelen waschen, wir werden die Augen reinigen vom Schmutz eines Schlafes, der von bösen Träumen heimgesucht wurde, die Ohren, die das Wachs leerer Worte verstopfte, werden wir frei machen, und die Körper, die beladen sind mit der Unreinheit der Vergangenheit, werden wir reinwaschen. Und wir werden außerdem eine Nation errichten, die größer ist als die fünf Provinzen.«
    »Ich verstehe nicht«, murmelte Nikodemus. »Wie soll das geschehen?«
    »Du, ein Lehrer Israels, verstehst mich nicht? Wenn du das, was ich auf Erden zu tun gedenke, nicht begreifst, wie wäre es dann erst, wenn ich von himmlischen Dingen redete?«
    »Welche himmlischen Dinge?«
    »Hilf dem Gläubigen, sich von sich selbst zu befreien, und du wirst in ihm den Abglanz seines Schöpfers wiederfinden! Lehre ihn das Leben, und du wirst seinen Fuß auf die Schwelle zu Jakobs Leiter setzen! Öffne seine Augen, und er wird das ewige Licht sehen! Dann wird die Erde nicht mehr das sein, was sie war, und der Mensch wird wieder Gottes Sohn werden!«
    Nikodemus schien verwirrt. »Was für eine Lehre ist das denn?« murmelte er, während die Frauen den Tisch abräumten.
    Als Maria Magdalena Jesus’ Teller nahm, hielt sie plötzlich inne und rief: »Meister, hab Mitleid mit uns! Ich glaube, das ist alles ein schreckliches Mißverständnis!« Und sie blieb auf den Knien liegen, den Kopf geneigt, weinend, den Teller immer noch in den Händen haltend. »Ja, Maria«, sagte Jesus und streichelte ihr den Kopf, »du hast recht, es scheint ein Mißverständnis vorzuliegen.« Sein Blick ging über die verblüfften Anwesenden, und er schüttelte traurig den Kopf.
     

XI.
     
    Das menschliche Schwert
     
    In dieser Nacht fand er in dem Haus in Betanien keinen Schlaf. Eine der drei verfügbaren Matratzen war für ihn in ein Einzelzimmer gelegt worden. Doch die Tür war verzogen und schloß nicht mehr, so daß er das Schnarchen seiner vierzehn Jünger hören konnte, die in dem großen Zimmer lagen, in dem sie gegessen hatten, und andere Schnarcher in anderen Räumen. Er versuchte zu beten, war aber nicht dazu aufgelegt. Er stieß das kleine Fenster auf, das über seinem Bett war, und die Kälte kam herein wie der Arme, den man am Ende eines Essens einläßt. Auch Geräusche drangen ins Zimmer, Gekratze, Gezische, Geheule, Zeichen einer Sprache, die nicht für die Menschen bestimmt war. Er stand auf und ging in den Raum, in dem die Jünger schliefen. Das Zimmer war aufgeheizt von den Körpern der Schlafenden, es roch immer noch nach dem gemahlenen Koriander, den man unter das Salz gemischt hatte, um den Appetit anzuregen, und der sich jetzt mit dem Schweißgeruch vermischte. Die dunklen Gestalten auf dem Boden, eingehüllt in Mäntel, stellten eine nächtliche Landschaft aus Bergen und Tälern dar wie die, die zweifellos die Eulen sahen, wenn sie über Judäa dahinflogen. Er stieß an einen Hügel; wer war das? Er bückte sich und erkannte Johannes, dessen eine Hand auf dem Boden ruhte, zum Himmel hin geöffnet. Er verspürte das Bedürfnis, ein Geschenk hineinzulegen, das Johannes dann beim Aufwachen finden würde, aber konnte ihm nur einen Wunsch bieten: daß er alt genug werden möge, um zu verstehen! Ertastete sich zur Eingangstür, entriegelte sie und trat in die klare Nacht hinaus, in der man fast die Sterne knistern hörte. Ein Rascheln ließ ihn den Kopf wenden; es war ein Fuchs, der sich wahrscheinlich vor die Tür gelegt hatte, um dort ein wenig Wärme oder Fleisch zu erwischen, und den er aufgeschreckt hatte. Er hielt drei Schritte von Jesus entfernt inne, ohne ein Anzeichen von Furcht, und schnupperte fragend. Jesus lächelte und ging weiter. Ein Blick zurück zeigte ihm, daß sich das Tier wieder gesetzt hatte. Es war ein junger Fuchs.
    Er ging den Weg, der nach Jerusalem führte und der sich den Hügel hinaufzog, den man den Ölberg nannte; nach einer Viertelstunde schnellen Fußmarsches erreichte er den Hain. Er hatte nicht das Bedürfnis weiterzugehen, die düsteren und zerzausten

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