Ein Mensch namens Jesus
bedrohen.«
»Du beschwörst die Gefahr herauf, Herodes«, warnte Manassah. »Du hast selbst gesagt, Jesus habe ganz Galiläa erobert. Seine Verhaftung, wo immer sie auch stattfinden würde, wäre für den Herrscher Galiläas eine wirkliche Gefahr.«
»Das werden wir ja sehen!« entgegnete Herodes kurz angebunden. Er stieg aus dem Becken und ließ sich von dem Sklaven abtrocknen. Manassah blieb verunsichert im Wasser sitzen.
Kurze Zeit später setzte die königliche Galeere des Herodes Antipas Segel, um zum anderen Ufer des Toten Meeres aufzubrechen. Vierzig Ruderer legten sich auf der Diere ins Zeug, während zehn Matrosen und der Kapitän auf der Brücke das Beste aus den Segeln herauszuholen suchten. Herodes saß unter einem Baldachin, Manassah und Joschua hockten jeweils zu seiner Linken und Rechten. Die Wachen standen ganz in seiner Nähe; am Heck wieherten in eigens für sie geschaffenen Boxen sechs Pferde aus den fürstlichen Stallungen. Trotz des Windes stach die Sonne erbarmungslos auf die bleierne Wasserfläche nieder und zog verdunstende, über die bunte Küstenlandschaft hinwegtanzende Wasserschleier gen Himmel, schillernd wie Wasser, eine Illusion von Wasser über einem Wasser, das keinen Durst zu stillen vermochte. Die Ruderer fluchten. Herodes hörte sie wie von ferne und blinzelte träge in die Spiegelungen des Lichts, wie ein dösender Leviatan, der schleimigen Schweiß ausdünstet, während das Gurgeln seines Gedärms das angestrengte Brüten seines Gehirns begleitete. Bemüht, weder den roten Faden der Geschehnisse noch jegliche Entwicklung im Gedankengang seines Herrn zu verpassen, beobachtete ihn Manassah aus den Augenwinkeln. Doch immer wieder schlichen sich andere Bilder ein und lenkten ihn ab — einmal das Gesicht von Herodias, wie sie bei der Vorstellung, in der Festung Machärus zurückgelassen zu werden, vor Zorn erbleicht war, dann wieder der verlockende Gedanke an die Freuden, die die Bordelle von Lydda oder Jericho, in die er sicherlich einen Abstecher machen würde, für ihn bereithielten. So döste er vor sich hin, als ihm plötzlich die Erleuchtung kam, wie ein Blitz die Hitze durchzuckte und das unerträglich gleißende Licht, die hartnäckige Wirkung des nächtlichen Weingenusses und die üble Laune, die ihm schon frühmorgens Unbehagen und unbestimmte Ängste wie Gift eingeträufelt hatten. Herodes hatte Angst! Herodes hatte vor Jesus Angst, weil er dachte, der Galiläer sei wirklich der Messias! Daß er jetzt erst darauf kam! Das war der eigentliche Grund für diesen überstürzten Aufbruch nach Jerusalem! Er schlug sich mit der Hand auf den Schenkel, und Herodes fuhr hoch.
»Was ist denn los?« fragte Herodes voller Argwohn.
»Diese verfluchten Fliegen.«
Herodes fiel in seinen Dämmerzustand zurück, und bald schnarchte er sogar.
Manassah nahm seine Überlegungen über die so urplötzlich erhellte Lage wieder auf. Herodias hatte Jokanaans Hinrichtung geplant. Herodes hatte sich nur widerwillig dazu verleiten lassen, aber Salomes Verführungkünste hatten den Ausschlag gegeben. Jetzt — und das war das erste und einzige Gefühl, das er bei der Unterhaltung im Bad ausgedrückt hatte — bedauerte er Jokanaans Tod und brachte seine Unzufriedenheit dadurch zum Ausdruck, daß er Herodias in Machärus zurückließ. Er hatte geglaubt, daß der Täufer ein frommer Mann sei, vielleicht sogar ein Prophet, und er fürchtete nun, daß seine Ermordung Rachegedanken in Jesus wachrief. Herodes hatte keinerlei erklärte Meinungsverschiedenheiten mit Jesus, aber er fürchtete ihn. Und weshalb? Weil man den Galiläer für den Messias hielt. Der Tetrarch hielt zwar die politischen Fäden in der Hand und führte sie sehr geschickt, zeigte sich dafür aber in religiösen Belangen, noch dazu von solchem Niveau, unerfahren und hilflos. Ein Messias! Das war ein gefährlicher Feind, sogar für einen unter Tiberius’ Schutz stehenden Tetrarchen.
Manassah fühlte sich plötzlich beobachtet. Er sah Herodes an und begegnete dem Blick aus den listigen Fuchsaugen des Potentaten, des Sohnes der Samariterin Malthake. Was für eine Sippschaft!
»Was brütest du schon wieder aus?« fragte Herodes.
»Die Krankheit«, entgegnete Manassah vorsichtig.
»Lüg nicht, du denkst ununterbrochen, selbst wenn du einen Anfall deines viertägigen Fiebers hast. Sag es mir.«
»Nun gut. Ich habe mir gerade überlegt, welche Chancen du hast, Verbündete zu finden.«
»Und zu welchem Ergebnis bist zu
Weitere Kostenlose Bücher