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Ein Mensch namens Jesus

Ein Mensch namens Jesus

Titel: Ein Mensch namens Jesus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerald Messadié
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der jüngste der Schar, verloren vor Schreck den Halt und schlitterten über das Deck. Da bemerkten auch die anderen diese menschliche, jedoch von einem hellen Schein umstrahlte Gestalt, die neben dem Boot schwebte, und die Angst vor dem Sturm wich dem Grauen vor dieser übernatürlichen Erscheinung. Simon der Zelot, der sich ganz in der Nähe des Schiffsmasts festhielt, fiel in Ohnmacht. Einzig und allein Thomas beobachtete ihn ohne sichtliches Anzeichen von Furcht.
    »Habt Vertrauen!« sprach er. »Ich bin es. Habt keine Furcht.«
    Er war nun an Bord, und Thomas sah ihn immer noch unverwandt an. Seine nassen Haare und Kleider klebten ihm an Kopf und Körper, und auch die anderen starrten ihn an aus schreckensweiten Augen. Plötzlich stürzte Johannes vor, umschlang seine Füße mit solcher Heftigkeit, daß Jesus das Gleichgewicht verlor und ebenfalls zu Boden stürzte, ohne daß der junge Mann jedoch seine Waden losließ. Jesus richtete sich wieder auf. Johannes wurde von Schluchzern geschüttelt, und Jesus nahm ihn in seine Arme, während die anderen, vom Schlingern und Stampfen übel mitgenommen, vom Tosen der Wellen und den krachenden Donnerschlägen betäubt und bis auf die Haut durchnäßt, wie versteinert von dort, wo sie gerade saßen oder lagen, die beiden anstarrten.
    Es regnete noch immer, als sie Kafarnaum erreichten, aber das Unwetter zog nach Osten ab. Allmählich brach die Wolkendecke auf und ließ einen klaren Sternenhimmel durchblinken. Johannes war eingeschlafen. Als das Boot vertäut war und sie wieder festen Boden unter den Füßen hatten, sprach Judas Iskariot als einziger von allen. »Meister«, sagte er, »du bist wahrhaftig der König!«
    »Und wo ist mein Königreich?« entgegnete Jesus.
     

XIX.
     
    Drei Palastintrigen
     
    In der Nacht nach Jokanaans Enthauptung tat Herodes kein Auge zu. Salome war, obwohl es längst dunkel war und ihre Mutter heftigst protestiert hatte, unter großem Geleitschutz nach Jerusalem zurückgeschickt worden. Herodias selbst mußte sich, bleich vor Ärger, den Mißerfolg ihrer Intrigen eingestehen, die sie, besessen von dem Wunsch, Jokanaans Haupt rollen zu sehen, gesponnen hatte; das Scheitern war um so bitterer, als es sich gerade durch den Erfolg ihrer Machenschaften eingestellt hatte, und nun mußte sie, ebenfalls unter militärischer Bewachung, ihre Gemächer hüten. Das alte Blut des Großen Herodes sprach; sie riskierte das Schwert, den Strang, Vergiftung oder bestenfalls Verstoßung. Die Ungezwungenheit der Höflinge war wie weggeblasen, die Abgesandten des Hohen Rates waren vor Angst wie gelähmt. Der Geist des Vaters schien zu seinem Todestag wiedergekehrt zu sein, um gelbe Schatten der Angst und rote Schatten des gewaltsamen Todes auf dieses falsche Fest eines einsamen Tyrannen zu werfen.
    Die wunderschöne Morgendämmerung, deren perlmuttener Schimmer durch die duftigen Florvorhänge ins Zimmer des Tetrarchen drang, brachte ihm keinen Trost. Einmal überfielen ihn Schweißausbrüche, dann wieder Kälteschauer.
    Auch Manassah, dem er befohlen hatte, den Rest der Nacht in seiner Nähe zu verbringen, war an der Seite seines Herrn kaum zur Ruhe gekommen. Zuviel Wein und zu vielerlei Weine, zuviel Aufregung auch, hatten seinem Gesicht eine wächserne Farbe verliehen.
    »Laß mir ein Bad herrichten«, wies ihn Herodes mit rauher Stimme an. »Mit vielen Ölen. Du wirst mir übrigens dabei Gesellschaft leisten.« Als sie sich in das Marmorbecken begaben, den Zedern- und Nelkenölduft einsogen, der in den Dampfschwaden aufstieg, und Mandelmilch und Granatapfelsaft tranken, wobei der Höfling mit seinem schlaffen Bauch dem Wanst seines Gebieters gegenübersaß, meinte Herodes schließlich: »Du hättest mich besser beraten müssen.«
    Manassahs Körper sackte ein wenig tiefer ins Wasser.
    »Das hättest du auch getan, wenn dir ein bißchen mehr Hirn zur Verfügung stünde«, fügte Herodes hinzu, während er sich an seinem fleischigen Oberarm kratzte.
    Manassah waren diese Launen, diese Stimme und der Tonfall wohlbekannt; sie kündigten plötzliche Entscheidungen an. Bei derartigen Unwettern war es am vernünftigsten, die Segel einzuholen und sich an den Mast zu binden. Wenn Herodes nämlich seine Meinung änderte, dann behielt er die erste Richtung nicht bei, nein, er schlug sogleich die entgegengesetzte ein. Es war also klug, ihm nicht zu dicht zu folgen. Und Herodes wußte, daß er es wußte, und Manassah wiederum war klar, daß Herodes wußte, daß er es

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