Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Mensch namens Jesus

Ein Mensch namens Jesus

Titel: Ein Mensch namens Jesus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerald Messadié
Vom Netzwerk:
einmal nach einem Heilmittel fragen, um endlich meinen Ausschlag loszuwerden.« Verärgert stand Herodes auf. »Einen Ausschlag«, wiederholte er mit abwesendem Blick. »Versuch es einmal mit Kleiebädern. Ich muß mich für deine Fürsorge bedanken, erhabener Pilatus.« Er verbeugte sich, der Römer stand ebenfalls auf und verneigte sich.
    Kurze Zeit später beobachtete Pilatus vom Fenster aus, wie sich der Tetrarch mit seinem Gefolge wieder auf den Heimweg machte. Auf der Straße warfen die Fackeln seiner Leute flüchtige Schatten auf Pflastersteine und Mauern, dann verschwand der Zug. Der Gesang einer nabatäischen Karawane stieg leise in die Nacht auf. Pilatus kratzte sich heftig am Gesäß.
     
    In der Regel nahm Hannas sein Frühstück — heiße Milch mit Rosinen — alleine ein. Darauf zog er sich immer in seine Gemächer zurück, um sich später, nach einem kalten Sitzbad, in den Teil des alten herodianischen Palastes zu begeben — demselben übrigens, der Pilatus als Wohnsitz in der Stadt diente — , in dem der Hohe Rat seinen ordentliche Sitzungen abhielt und den man Quadernhalle nannte. Der Sanhedrin versammelte sich nicht jeden Tag, aber es gab doch immer ein paar Angelegenheiten zu klären, deren sich Hannas mit Gedalja und einigen Ratsmitgliedern annahm: der Klage einer durch ein zweifelhaftes Testament um ihr Vermögen gebrachten Witwe, die Beschuldigung eines Händlers wegen Betrugs, eine vorzeitige Geburt und dazu noch die alltäglichen Pflichten wie Beschneidungen, Reinigungszeremonien für Wöchnerinnen, Beerdigungen.
    An jenem Morgen nun meldete sich Gedalja vor Hannas’ Gemächern an, ein ungewöhnliches Ereignis, das nur bedeuten konnte, daß Gedalja vertraulich mit ihm über irgendeine Angelegenheit zu sprechen wünschte.
    »Herodes hält sich in der Stadt auf«, verkündete Gedalja nach einigen kurzen, förmlichen Höflichkeitsbezeigungen. »Vorletzte Nacht hat er Jokanaan in seiner Festung Machärus enthaupten lassen, und unmittelbar nach seiner Ankunft in Jerusalem hat er Pilatus einen Besuch abgestattet.«
    Hannas zog die Augenbrauen hoch. »Jokanaan enthauptet?« wiederholte er überrascht.
    »Die Enthauptung hat nach einer Orgie stattgefunden, auf der die Tochter der Herodias und des Philippus nackt vor Jokanaan getanzt haben soll. Eine Wache des Herodes hat uns diese Nachricht verkauft.«
    Hannas überlegte eine Weile und fragte dann: »Weiß man, worüber Herodes mit Pilatus gesprochen hat?«
    Gedalja schüttelte den Kopf. »Manassah hätte es wissen können, aber er hatte es noch eiliger, in ein Bordell zu kommen, als sein Herr, Pilatus aufzusuchen. Er war also nicht dabei. Außerdem redet Manassah in letzter Zeit nicht viel. Er hat jetzt genug Geld zusammengerafft.«
    »Herodes hatte nicht das Recht, Jokanaan töten zu lassen, ohne uns nach unserer Meinung zu fragen«, sagte Hannas. »Schließlich handelt es sich hier um eine religiöse Angelegenheit.«
    »Das stimmt schon«, gab Gedalja zu, »aber Jokanaan wurde in Galiläa verhaftet und in Peräa hingerichtet, und Herodes ist der Te-trarch dieser beiden Provinzen. Dagegen können wir nichts einwenden, zumindest was die Form betrifft.«
    »Meine religiöse Machtbefugnis erstreckt sich über ganz Palästina und über alle jüdischen Gemeinschaften, die darüber hinausgehen«, entgegnete Hannas hochmütig. »Wenn Jokanaan ein Prophet gewesen wäre, hätten wir den Tetrarchen selbst wegen Mordes an einem jüdischen Propheten zum Tode verurteilen können.« Er schritt sichtlich unzufrieden im Raum auf und ab. »Ich werde es Herodes schon zeigen«, sagte er.
    Gedalja wunderte sich zwar über den mangelnden politischen Sachverstand seines Vorgesetzten, ließ aber kein Wort darüber fallen. »Wenn sich die Gelegenheit bietet«, ergänzte er statt dessen. »Aber vorläufig müssen wir nur auf der Hut sein, denn dieser alte Fuchs führt etwas im Schilde, das spüre ich.«
    »Und Jesus?« fragte Hannas.
    »Was denn, Jesus?« sagte Gedalja. »Er weiß wahrscheinlich noch gar nichts davon.«
    »Wenn er die Neuigkeit erfährt, werden auch andere davon wissen, und das könnte zu Unruhen führen. Die Leute werden unweigerlich Rache fordern, und möglicherweise wird Jesus der Anführer des Aufstandes.«
    »Das kann uns doch gleichgültig sein.« Gedalja hob die Schultern. »Schließlich haben ja wir Jokanaan nicht umgebracht.«
    »Na, hör mal!« rief Hannas aus. »Siehst du denn nicht, daß die Dummköpfe uns verdächtigen, mit Herodes und

Weitere Kostenlose Bücher