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Ein Mensch namens Jesus

Ein Mensch namens Jesus

Titel: Ein Mensch namens Jesus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerald Messadié
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üblichen Einwohnerzahl der Stadt, von allen Küsten des Mittelmeeres herbeiströmt, um den Feierlichkeiten zum Passah-Fest beizuwohnen, und dabei in Kauf nimmt, vor Haustüren und auf Dächern zu schlafen, nur um sich rühmen zu können, in Jerusalem gewesen zu sein. Und nicht daß du denkst, das seien alles Juden, weit gefehlt! Unter ihnen sind ebenso Anbeter von Mithras, Isis, Baal, Zeus, Brahma und all den anderen Göttern! In Jericho und Ptolemais herrscht ein paradiesisches Klima, und die Freuden, die einem das Leben in der Dekapolis zu bieten vermag, gehen weit über die hinaus, die man in Antiochia und Alexandria genießen kann. Aber wohin lenken Fremde, wenn sie nach Palästina kommen, ihre Schritte zuerst? Nach Jerusalem! Wo sollte Jesus denn deiner Meinung nach seine Krönung als Messias in die Tat umsetzen wollen? Wo sonst als in dieser Stadt?«
    »Krönung«, wiederholte Herodes versonnen.
    »Ich würde wetten, Herr, noch vor Ablauf von zwei Tagen wird Hannas’ Kettenhund, der hängebackige Gedalja, dich um eine Audienz bitten. Er wird einen nichtigen Vorwand gebrauchen, im Grunde aber will er nur versuchen, dir Auskünfte über Jokanaans Hinrichtung zu entlocken. Gib dich ganz ungezwungen. Gedalja wird dir in erpresserischer Absicht zu verstehen geben, daß du eine religiöse Persönlichkeit getötet hast. Und du antwortest, daß Jokanaan deine politische Autorität gefährdet habe. Daß du vor Rom der Verantwortliche seist, für alles, was sich in deinen Provinzen abspielt. Und daß die hohen Herren des Tempels, wenn sie sich schon solche Sorgen wegen Jokanaan und religiöser Belange machen, sich gleich um Jesus kümmern könnten. Denn Jokanaans Jünger hätten sich Jesus’ Speichelleckern angeschlossen und marschierten geradewegs auf Jerusalem zu. Du hättest den Prokurator pflichtgetreu davon in Kenntnis gesetzt und hofftest nun, daß die Legion und die Tempelpolizei diesen Aufwieglern in gehöriger Weise entgegentritt. Das wird Hannas zu denken geben.«
    Herodes brummelte vor sich hin, während er Manassahs Argumentation überdachte. »Laß mich jetzt ein wenig ruhen«, sagte der Tetrarch nach einer Weile.
    »Und mein Anteil?«
    Herodes setzte eine Leidensmiene auf.
    »Ein großer Krug Wein aus Chios, abgemacht?«
    »Ersaufen sollst du darin«, entgegnete Herodes mit breitern Lächeln.
    Tatsächlich erschien am nächsten Tag Gedalja im Palast. Und in dieser Nacht sah man sehr lange Licht in Hannas’ Gemächern.
    Die Falle war aufgestellt. Hannas bemühte sich, eine Mehrheit unter den Mitgliedern des Sanhedrin zu gewinnen.
     
    Pilatus’ Frau, Procula, eine von Schlaflosigkeit geplagte Matrone, verbrachte den größten Teil ihrer Nächte damit, dem abergläubischen Geschwätz ihrer Sklaven zuzuhören, während Pilatus zwei Zimmer weiter friedlich schnarchte. Begierig lauschte sie nicht enden wollenden Geschichten von Gespenstern, Lemuren, wandernden Statuen, Stimmen, die aus Gräbern emporstiegen, und Milch, die vom nächtlichen Sternenhimmel herabtropfte, während sie genüßlich heißen Wein mit Mohnsaft schlürfte — der ihr natürlich Verstopfung einbrachte. Das Sammeln von Statuen und Figuren aus allen möglichen Materialien, die alle möglichen Götter und Dämonen darstellten, war Proculas Leidenschaft, und sie bedauerte sehr, daß sie kein einziges Abbild eines gewissen Wunderwirkers besaß, dem sie wachsende Verehrung entgegenbrachte: ein Galiläer namens Jesus. Osiris, Momus und auch Tinnit waren nicht mehr von dieser Welt, aber Jesus lebte, er hielt sich in Palästina auf und vollbrachte Wunder, deren Echtheit selbst die Kundschafter ihres Mannes nicht anzweifelten. Procula träumte davon, nach Galiläa zu reisen, und dort — so stellte sie sich vor — würde sie vom besten verfügbaren Künstler sein Antlitz in Stein hauen lassen. Doch sie wagte nicht, diese verrückte Idee in die Tat umzusetzen, aus Angst, ihrem Ruf zu schaden und sich einen Vorwurf ihres Mannes einzuhandeln wegen Einmischung in Angelegenheiten, von denen die Frau eines römischen Würdenträgers besser nichts zu wissen hatte.
    Allerdings tröstete sich Procula bald, denn ihre äthiopische Sklavin hatte versichert, daß Jesus sich zum Passah-Fest in Jerusalem aufhalten werde. Sie hatte Pilatus sogar soweit gebracht, diesen Jesus in den Palast einzuladen, damit er sie von ihrer Schlaflosigkeit heilen könne. Und dieser bemerkenswerte Mann würde das Angebot, ein Bild von ihm zu schaffen, sicherlich nicht ablehnen.

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