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Ein Mensch namens Jesus

Ein Mensch namens Jesus

Titel: Ein Mensch namens Jesus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerald Messadié
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sollst du dich an diesen frühen Blumen erfreuen, mein erhabener König.«
    Herodes nahm sie entgegen, strich verträumt mit dem Finger über die sanft geschwungenen Blütenblätter und reichte das Geschenk an einen Sklaven weiter mit dem Auftrag, die Blumen in Wasser zu legen. »Mir ist weder nach Girlanden noch nach Feiern zumute.« Manassah seufzte und ließ sich auf einem Hocker neben dem Diwan nieder. »Ich vermute, daß Pilatus’ Spatzenhirn wieder mal nichts Weltbewegendes vollbracht hat«, sagte er. »Traurigkeit ist das Los der Weitsicht, und dennoch, trotz meiner Enttäuschung ist es mir unmöglich, Überraschung vorzutäuschen. Deshalb habe ich den ersten Schritt getan und das Problem von einer anderen Seite her gepackt.«
    »Welchen Schritt?« entgegnete Herodes. »Du hast dich im Bordell ausgetobt, sonst nichts!«
    »Die Bordelle stehen zu Unrecht in Verruf«, verteidigte sich Manassah. »Von den ehelichen Banden und den Zügeln des Anstands befreit, spitzen die Stammgäste dort die Ohren, und mit dem Gürtel legen sie auch die Maske vor ihrer Seele ab. Bei Sonnenuntergang, Herr, werden alle namhaften Einwohner Jerusalems wissen, daß eine ganze Horde Rebellen unter der Leitung eines Priesters namens Jesus auf Jerusalem zumarschiert in der Absicht, so aufrührerische Pläne wie die Entthronung des Hannas, des heimlichen Drahtziehers für die Enthauptung Jokanaans, in die Tat umzusetzen. Ein paar Klatschmäuler und zahlreiche nicht unbedeutende Bürger der Stadt, denen ich in den Bädern begegnet bin, bringen diese Neuigkeiten in Umlauf.«
    »Woher weißt du das?«
    »Ich weiß es nicht. Ich habe es erfunden... Ein Mitglied des Hohen Rates, ein gewisser Nikodemus, der dort sein Zipperlein ausschwitzen wollte, war von dem Gehörten derart betroffen, daß er das Haus Hals über Kopf verließ.«
    »Ein Mitglied des Sanhedrin hielt sich im Bordell auf?« fragte Herodes ungläubig.
    »Nicht im Bordell, im Bad. Das Bordell kam erst danach. In Lydda.«
    »Das ist ja alles recht gut gemeint, aber wahrscheinlich wirkungslos«, meinte Herodes, während er sich den großen Zeh massierte. »Jedermann kennt dich in diesen Räuberhöhlen und wird dich verdächtigen, daß du nur Gerüchte in die Welt setzt. Wie willst du einen Zusammenhang zwischen Hannas und Jokanaans Hinrichtung herstellen? Und was geschieht, wenn Jesus nicht nach Jerusalem kommen sollte?«
    »Hat Jokanaan den Tempel und seine Diener nicht öffentlich verdammt? Hat er den Heuschrecken, Wüstenspringmäusen und Eidechsen mit seinen Verwünschungen gegen die unrechtmäßigen Herren von Klerus und Königreich nicht die Ohren vollgeschrien? Hat er nicht überall, wo Menschen seine fanatischen Selbstgespräche hörten, für genug Skandal gesorgt? Wen würde es also verwundern, wenn du, in Anbetracht deiner königlichen Pflichten, Hannas’ inständigen Bitten nachgegeben und beschlossen hast, wieder für Anstand in deinen Provinzen und andernorts zu sorgen, indem du diesen Ausbund an Gottlosigkeit zum Schweigen bringst? Und schon steckt Hannas mittendrin, und da die Aufrechterhaltung der Ordnung in Jerusalem bei weltlichen Angelegenheiten Pilatus’ Aufgabe, bei religiösen hingegen die des Hannas ist, kannst du Jesus’ Ankunft in Jerusalem in aller Ruhe abwarten.«
    Herodes lächelte über Manassahs Eifer. Wenn der Höfling so guter Laune war, dann deshalb, weil er vom Gelingen seines Streichs überzeugt war, und Manassah täuschte sich selten. Trotzdem konnte sich Herodes eines gewissen Unbehagens, was diesen Jesus betraf, nicht erwehren. Er war hin und her gerissen zwischen Zweifel und Angst: Enttäuschend wäre es für ihn, wenn ihm diese rätselhafte Person entginge und unter Hannas’ oder Pilatus’ Fuchtel geriet; Angst aber empfand er bei dem Gedanken, womöglich für die Verurteilung eines wirklichen Messias verantwortlich gemacht zu werden.
    »Und daß Jesus in die Stadt kommt«, fuhr Manassah fort, während er sich ungeniert von dem Met einschenkte, der eigentlich für den Tetrarchen bestimmt war, »das steht so gut wie fest. Nur Jerusalem kann das Endziel dieses Mannes sein. Alles, was er bisher getan hat, und das haben auch unsere Kundschafter berichtet, war nichts als eine einzige Probe für den geplanten großen Auftritt in Jerusalem. Wenn etwas Bedeutendes in Palästina geschieht, dann immer in Jerusalem. In wenigen Tagen wirst du das selbst wieder einmal feststellen können, wenn fast eine Viertelmillion Menschen, also das Zehnfache der

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