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Ein Mensch namens Jesus

Ein Mensch namens Jesus

Titel: Ein Mensch namens Jesus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerald Messadié
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geplanten Störung der öffentlichen Ordnung gleich.«
    Hannas erbleichte und atmete tief durch, brachte dann aber, nachdem Pilatus’ zornbebende Stimme verklungen war, doch eine Antwort hervor: »Aber gerade dieser Mann, der sich als Messias ausgibt, bedroht doch die öffentliche Ordnung, erhabener Prokurator. Du kennst nicht die Folgen seines Anspruchs, die, das möchte ich betonen, allein religiösen Angelegenheiten zuzuordnen sind. Weder ich noch irgend jemand anderer, der mit meiner Ermächtigung handelte, hatte die Absicht, deine Autorität zu untergraben.«
    »Kein anderer als der Tetrarch persönlich hat mir mitgeteilt, daß ihr Juden seit Jahren einen Messias erwartet. Für mich ist es also kein Verbrechen, wenn jemand den Anspruch erhebt, ein Messias zu sein«, entgegnete Pilatus in ebenfalls sehr bestimmtem Ton. »Da dieser Jesus, den ihr verhaften wollt, zahlreiche Jünger hat, folgere ich daraus, daß ihr die Gefahr eines offenen Aufstandes auf meinem Staatsgebiet bewußt in Kauf genommen habt, und das, ohne mich vorher in Kenntnis zu setzen.«
    »Dann ersuche ich dich jetzt um deinen Rat«, sagte Hannas.
    »Du hast meine Meinung dazu gehört.«
    »Ein Messias würde auch die römische Macht bedrohen. Er soll König über die fünf Provinzen sein.«
    »Wenn das jemanden etwas angeht«, erwiderte Pilatus, »dann einzig und allein Tiberius. Nicht dich. Ich wünsche, daß ihr den Plan zu Jesus’ Verhaftung auf der Stelle aufgebt.«
    Hannas war fassungslos, aber nicht lange. Er spielte seine letzte Karte aus. »Du forderst damit meinen Rücktritt«, sagte er.
    »Du zwingst mich dazu. Noch vor Sonnenuntergang betrachte ich dich als deines Amtes enthoben.«
    Die Unterredung hatte nur ein paar Minuten gedauert. Diese kurze Zeitspanne genügte, um aus Hannas einen gebrochenen Mann zu machen, der sich auf dem Weg die Treppe hinunter auf Gedaljas Arm stützen mußte.
    »Es gibt einen Spion in unseren Reihen«, meinte Gedalja, als sie an der Wohnung des Hohenpriesters angelangt waren.
    »Dem werden wir später nachgehen«, entgegnete Hannas müde. »Als erstes müssen wir jetzt sofort den Sanhedrin zu einer Sitzung einberufen.«
    Eine Stunde nach Einbruch der Abenddämmerung hatten die siebzig Mitglieder der Versammlung in der Quadernhalle Platz genommen. Es herrschte eine höchst angespannte Atmosphäre. Hannas erhob sich. »Brüder«, sprach er, »heute morgen hat der Statthalter von Judäa, Pontius Pilatus, in Gedaljas Gegenwart meinen Rücktritt gefordert. Er ist tatsächlich dazu befugt, wenngleich dies auch nicht im Gesetz festgelegt ist. Weder Herodes Antipas noch Herodes Philippus würden mich verteidigen. Der Statthalter hat uns unseren Plan, Jesus verhaften zu lassen, übelgenommen. Er ist der Ansicht, daß es kein religiöses Vergehen sei, wenn ein Mann sich anmaßt, der Messias sein zu wollen, und daß seine Verhaftung Unruhe stiften würde, was unter den Einflußbereich der kaiserlichen und senatorischen Macht Roms fallen würde. Ich habe euch gebeten, euch heute abend in aller Eile hier einzufinden, um meinen Nachfolger zu wählen.«
    Mehrere Stimmen wurden gleichzeitig laut. Einige brachten ihre Empörung zum Ausdruck, andere bekräftigten ihre Treue zu Hannas, wieder andere schlugen vor, sich Pilatus zu widersetzen und ein Protestschreiben an Tiberius zu verfassen.
    »Unter uns ist ein Spion!« rief Gedalja.
    Wieder erhob sich empörtes Gemurmel.
    »Ich kann nicht glauben, daß auch nur ein einziger Spion unter uns ist«, bemerkte Gideon ben Hanun. »Aber die Fenster stehen die ganze Zeit über offen. Und in Pilatus’ Wohnung sprechen einige Bedienstete Hebräisch.«
    Die Leviten beeilten sich, die Fenster zu schließen, die tatsächlich offenstanden.
    Die siebzig waren über die Folgen dieser kleinen Unachtsamkeit bestürzt.
    »Ich habe schon einmal gesagt, daß Jesus die Schechina empfangen haben könnte«, sagte Josef von Arimathäa, nachdem wieder Ruhe eingekehrt war. »Ich möchte hiermit meinen Wunsch zum Ausdruck bringen, daß wir von diesem unheilvollen Vorhaben ablassen, von dem ich persönlich gar nichts wußte, ebenso wie viele andere Mitglieder dieser Versammlung. Um der Ehre des Hohen Rates willen, und obwohl ich den Plan des Hohenpriesters sehr bedaure, schlage ich vor, die Wahl eines neuen Hohenpriesters zu verschieben und an Tiberius zu schreiben.«
    »Denken wir doch ein bißchen realistisch«, entgegnete Hannas, »es dauert zwei Wochen, bis ein Brief in Rom ankommt, und auf die

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