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Ein Mensch namens Jesus

Ein Mensch namens Jesus

Titel: Ein Mensch namens Jesus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerald Messadié
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mit einem Kopfnicken. »Gehen wir zur Synagoge«, forderte er sie auf.
    Er führte sie zu dem Bauwerk aus schwarzem Basalt, dem die ersten Strahlen der Morgensonne einen rötlichen Schimmer verliehen. Als es zu einigem Gedränge am Eingangstor kam, schimpfte er. Dann bestieg er wie vor zwei Jahren, als er seine restlichen Jünger ausgesucht hatte, die Kanzel. Der Rabbi, der sich ihm damals entgegengestellt hatte, war nicht mehr da. Er hatte einen Schlaganfall erlitten und faselte nur noch dummes Zeug; ein geiferndes Wrack war aus ihm geworden. Sein Nachfolger, der in der ersten Reihe unter der Kanzel stand, war ein überaus ängstliches Männchen, das sich kaum getraute, den Mund aufzutun. Unter dem Deckengewölbe vollführten Tauben ihre kunstvollen Flüge, und Jesus beobachtete sie, bis sich die Zuhörer alle gesetzt hatten; erst dann wollte er das Wort ergreifen. In dem Augenblick ging ein Raunen durch die Reihen.
    »Seht! Seht doch! Das ist seine Mutter! Und da sind seine Brüder! Geh aus dem Weg, Frau! Laß sie durch!«
    Beunruhigt senkte Jesus die Augen. In Marias Blick lag ein dunkler, angespannter Ausdruck. Und wer nur hatte seine vier Halbbrüder benachrichtigt? Er hob die Arme, und sofort trat Stille ein.
    »Ich weiß, daß ihr nicht zu mir gekommen seid, weil euch von Zeichen berichtet wurde«, begann er, »sondern weil diejenigen unter euch, die mit mir in Betsaida waren, das Brot des Himmels gegessen haben und satt wurden, während die anderen noch immer Hunger haben und nach dem einzigen Brot verlangen, das ihren Hunger stillt. Ich sage euch allen, das im Ofen gebackene Brot ist ein verderbliches Nahrungsmittel, aber das Brot des ewigen Lebens wird weder gebacken, noch ist es verderblich oder käuflich.«
    Sie machten große Augen. Maria saß regungslos.
    »Dieses Brot«, fuhr er fort, »werdet ihr vom Menschensohn empfangen, denn ihm hat Gott das Siegel Seiner Macht aufgedrückt. Wenn ihr nicht an ihn glaubt, werdet ihr dieses Brot nicht erlangen.«
    »Das sind Worte«, entgegnete ein Mann aus der Versammlung heftig, »abe*- welche Zeichen kannst du uns geben, damit wir an dich glauben? Auch ich war in Betsaida, aber ich habe dort nur das selbst mitgebrachte Brot gegessen. Du hast uns kein Brot gegeben, so wie der Herr unseren Vorfahren in der Wüste Manna schickte und wie es in den Büchern geschrieben steht: >Er gab ihnen das Brot des Himmels, auf daß sie zu essen hätten.< Du hast uns deine Worte gegeben und behauptet, sie seien das Brot des Himmels, und jetzt wiederholst du das Ganze. Du vollbringst Wunder, aber das können Magier auch. Gib uns ein Zeichen, Mann.«
    »Gestern ist er über das Wasser gegangen, was willst du mehr, Ungläubiger?« rief eine Stimme, die Jesus als die des Simon Petrus erkannte. »Ich war mit meinem Bruder Andreas, hier ist er, und mit sieben weiteren Jüngern im Boot, und wir haben gesehen, wie er, den wir in Betsaida zurückgelassen hatten, über das Wasser ging wie du über den Boden, um uns im Sturm zu Hilfe zu kommen! Welche Zeichen willst du noch?«
    In der Versammlung kam es zu heftigen Debatten. Aber Jesus fuhr dazwischen. »Ich sage euch dies: Nicht die Zeichen sind ausschlaggebend. Moses hat euch das Brot des Himmels gegeben, aber nur der wahre Vater gibt euch das wahre Brot des Himmels. Dieses Brot bringt Leben in die Welt.«
    »Dann gib uns dieses Brot, jetzt und für immer!« riefen einige Stimmen.
    Jesus wartete, bis wieder Ruhe einkehrte, und sagte dann: »Ich bin das Brot des Lebens.«
    Verblüffung und Empörung wurden laut.
    »Alle, die zu mir kommen, werden nie mehr Hunger haben«, verkündete er, »und wer an mich glaubt, wird nie mehr durstig sein. Aber ihr glaubt nicht an mich, obwohl ihr Zeugen gewesen seid.«
    Sie waren nicht reif für diese Worte, o ja, das war ihm nur allzu bewußt. Keiner von ihnen konnte auch nur einen Funken seiner Rede verstehen. Sie bissen sich an den Worten fest, und die Worte empörten sie. Aber sie würden ja nie fähig sein, ihn zu verstehen. Und er war in die Synagoge gekommen, um sie zu besänftigen. Die Zeit verlangte nicht nach Besänftigung; sie verlangte nach einem, der wachrüttelte. Diese Worte waren schon seit langem in ihm gewesen. Er hatte einfach gewartet, bis sie von selbst aus seinem Munde sprudelten, und ebenso wußte er schon lange, daß allein er fähig war, sie aus ihrer inneren Wüste zu führen, wie Moses sie aus der Sklaverei befreit hatte. Immer brauchten sie einen Befreier, diese Menschen, seine

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