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Ein Mensch namens Jesus

Ein Mensch namens Jesus

Titel: Ein Mensch namens Jesus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerald Messadié
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achten Tag des Nisan * , als sie ihr Ziel Betfage erreichten. Andreas hatte für eine etwas abseits gelegene Unterkunft auf der Ostseite des Ölberges gesorgt. Matthäus war noch müde und döste vor sich hin. Kaum hatte er sich auf den Boden gesetzt, als er sich auch schon der Länge nach ausstreckte, die Augen schloß, sich nur noch vage fragte, wo Jesus denn bleiben mochte, und dann einschlief.
    Eine Hand rüttelte ihn an der Schulter. Er schlug die Augen auf und blickte in ein Stück grünlichen Himmels.
    »Willkommen, Matthäus! Jetzt ist nicht die rechte Zeit zum Schlafen.«
    Jesus war es, umringt von den acht anderen Jüngern. Schlaftrunken richtete Matthäus sich auf.
    »So ist es schon besser. Sei wachsam! Denn du weißt nicht, wann der Augenblick kommt. Kennst du die Geschichte von dem Mann, der sein Haus verlassen hat? Seine Diener wies er an, weiter ihren Pflichten nachzukommen, und dem Pförtner befahl er, auf der Hut zu sein. Seid also auf der Hut, du, Matthäus, und ihr anderen, denn ihr wißt nicht, wann der Hausherr zurückkehrt! Ob am Abend oder um Mitternacht, beim ersten Hahnenschrei oder am Morgen, wenn er unverhofft kommt, darf er euch nicht schlafend finden.«
    Am nächsten Tag erzählte er ihnen das Gleichnis von dem Blinden und dem Mann in der Nacht.
     
    Am zehnten Tag des Nisan entdeckte er einen jungen Esel, der gerade in der Nähe des Hauses weidete. Er lieh ihn sich von seinem Besitzer aus und kündigte an, daß er sich nun nach Jerusalem begeben wolle. »Auf einem Esel?« wunderte sich Simon Petrus.
    »Ja, denk nur an die Schrift. >Hab keine Furcht mehr Tochter Zion / Sieh dein König kommt auf dem Rücken eines jungen Esels<«, rezitierte er lächelnd.
    »Wir müssen dich begleiten, du kannst nicht allein nach Jerusalem ziehen«, meinte Simon Petrus und legte seinen Mantel auf den Eselsrücken, damit er seinem Herrn als Sattel diene. Johannes tat es ihm nach. Jesus bestieg den Esel. Matthäus, kampfbereit mit der Hand am Dolch, und Simon Petrus gingen voran, die anderen schlossen sich dem Esel an. Nach einer Viertelstunde waren sie auf dem Gipfel des Ölbergs angelangt. Jesus machte halt. Vor seinen Augen breitete sich das Herz Israels aus: Jerusalem. Ließ er seinen Blick nach links schweifen, so bot sich ihm die Wüste Judäas dar, einem riesigen Löwenfell gleich, das zu Urzeiten in der Sonne zum Trocknen ausgebreitet worden war. Etwas weiter entfernt konnte er gleichsam als zwei das Tote Meer umarmende Pranken des Tieres die Berge von Judäa und die Moabitische Hochebene überblicken, deren Umrisse am Horizont verschwammen. Dort unten, in Qumran, arbeiteten Menschen im Schweiße ihres Angesichts wie früher Jokanaan und er- alle in Erwartung des Endes, das nun so nahe war. Der Esel neigte seinen Kopf, um zu grasen. Jesus kniff die Augen zusammen. Sein Blick kehrte unweigerlich zum Bild der Stadt vor ihm zurück. Im Nordosten erhoben sich stolz und strahlend im Sonnenlicht die Türme der Burg Antonia auf ihrem Felsen. Auf dem Zions-Hügel blitzten die Fenster des alten hasmonäischen Palastes wie Karfunkelsteine, um all jene zu blenden, die versuchen sollten, das Geheimnis seiner Mauern zu durchdringen, die Machenschaften des Sanhedrin und Pilatus’ Intrigen.
    Man hörte Leute reden. Jesus sah sich um und begegnete den furchtsamen und überraschten Blicken einiger Pilger. Die Jünger erklärten ihnen, daß er Jesus sei, ja, genau der, und auf einem Esel nach Jerusalem ziehe, um die Weissagungen der Schriften zu erfüllen. Die Menge wuchs an, und einige begannen ihn zu bitten, sie doch von dieser oder jener Krankheit zu heilen. So würde er nie in Jerusalem ankommen. Er versetzte dem Esel einen leichten Schlag, trieb ihn auf einen der drei Pfade zu, die durch das Tal des Kidron führten, und schlug dann den Weg zum Tempel hinauf ein. Kinder hüpften um ihn herum und besangen den Messias in rasch improvisierten Liedchen. Die Älteren segneten ihn, der im Namen des Herrn kam, um ihnen das Zepter Davids zurückzubringen. Am Goldenen Tor angelangt, umgab ihn eine Schar von mehreren hundert Menschen. Die vierte Stunde des Nachmittags brach an, die Höfe leerten sich. Leviten fegten den Boden, bevor sie sich daranmachten, ihn feucht aufzuwischen. Taubenfedern wirbelten auf. Unter den abweisenden Blicken der Leviten sang Jesus’ Begleitzug: »Hosianna!« Bald würde der Tempel geschlossen und die Menge zerstreut sein. Am Abend könnten dann alle sagen, sie seien mit dem Messias im Tempel

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