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Ein Mensch namens Jesus

Ein Mensch namens Jesus

Titel: Ein Mensch namens Jesus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerald Messadié
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ruhte voller Besorgnis auf ihr. Zu Jesus gewandt, erklärte er: »Dies ist die Schwester von Lazarus, dem Mann, den du am gleichen Tag wie mich geheilt hast.«
    »Ja«, sagte Jesus, ohne seinen Blick von Maria Magdalena, die er sehr wohl wiedererkannte, zu wenden. »Er litt an Krämpfen.«
    »Lazarus ist tot«, verkündete Maria Magdalena. »Er wäre nicht gestorben, wenn du letzten Monat hiergewesen wärst.«
    »Du darfst im Tod kein Werk der Zerstörung sehen, Maria«, sagte Jesus. »Und es liegt nicht in meiner Macht, den Menschen auf Erden Unsterblichkeit zu verleihen.«
    »Freue dich, Maria, der Messias ist unter uns!« tröstete sie Simon. Maria Magdalena nickte und zog ein Fläschchen unter ihrem Mantel hervor. Sie öffnete es, goß den Inhalt langsam über Jesus’ Kopf und massierte das öl behutsam in sein Haar ein. Nardenduft breitete sich im Raum aus. Dann träufelte sie das restliche Öl auf Jesus’ Hände, Arme und schließlich sogar auf seine Füße. Kniend verharrte sie am Boden, ein schwarzes, in die Heiterkeit des Festes geworfenes Bündel Kummer.
    »So eine Verschwendung!« rief Simon Petrus aus. »Das muß mindestens dreißig Denare gekostet haben!«
    Judas Iskariot fuhr hoch.
    »Wer ist diese Verrückte da?« schrie er. »Man hätte das Duftöl verkaufen und dann das Geld den Armen geben können. Simon, jag diese Frau aus deinem Haus!«
    Jesus, der bis dahin reglos und stumm dagesessen hatte, erhob endlich seine Stimme. »Arme wird es immer unter euch geben«, sagte er, »ich dagegen werde nicht immer unter euch sein. Vielleicht bleibt ihr noch ein wenig Öl übrig für den Tag meines Begräbnisses. Steh auf, Maria Magdalena!«
    Ihre Hände strichen hilflos über den Boden, dann setzte sie sich Jesus zu Füßen, während die Tänzer sich wieder ins Vergnügen stürzten. Als die weiteren Gänge des Festmahls aufgetragen wurden, erhob sie sich und verschwand.
    »Es ist spät geworden«, stellte Jesus schließlich fest. Er schloß Simon den Aussätzigen in seine Arme und verabschiedete sich. Die Jünger folgten ihm. Sie gingen zu dem Haus, das Simon ihnen zur Verfügung gestellt hatte, als plötzlich eine dunkle Gestalt hinter ihnen herlief und rief: »Meister, warte auf mich!« Jesus blieb stehen. Die Gestalt holte sie keuchend ein.
    »Meister, ich bin’s, Philippus! Ich war gerade in Jerusalem, als Pilger mir erzählten, daß du in Betanien bist... Ich habe mich sofort auf den Weg gemacht.« Er zögerte. »Oder willst du mich vielleicht nicht mehr?«
    »Doch, natürlich«, beruhigte ihn Jesus. »Komm und geh mit uns schlafen! Du siehst erschöpft aus.«
    »Ich bin so schnell gelaufen, wie ich nur konnte«, erklärte Philippus. »Wo ist Judas Iskariot?«
    »Hier bin ich«, meldete sich Judas, der sich im Schatten gehalten hatte.
    »Da, deine Sandalen!« sagte Philippus und hielt sie ihm hin. »Das sind deine alten Sandalen, die du beim Flickschuster in Jerusalem gelassen hast. Ich hielt mich gerade bei ihm auf, als man mir berichtete, daß der Messias in Betanien ist. Ich hab’ sie dir mitgebracht.«
    Judas nahm seine Sandalen entgegen.
    Im Morgengrauen kehrte auch Matthäus zurück. Simon Petrus, der früh erwachte, fand den Zolleinnehmer vor der Tür wie einen verlorenen Sohn — oder besser einen geprügelten Hund. In einem Zug trank er die Milch aus, die Simon Petrus ihm brachte, dann fragte er, ob er sich ein wenig hinlegen könne. Auch er hatte von Pilgern erfahren, daß Jesus sich in Betanien aufhielt.
    »Weiß denn ganz Jerusalem, daß Jesus hier ist?« fragte Simon Petrus beunruhigt.
    »Habe ich von ganz Jerusalem gesprochen? Nein, ich habe nur von Pilgern erzählt, die erfahren hatten, daß Jesus sich in der Nähe von Jerusalem aufhält. Ich habe dann daraus geschlossen, daß er in Betanien sein muß. Aber er hätte ebensogut in Betfage sein können. Weshalb fragst du?«
    »Wir sollten nicht unbedingt so leicht zu finden sein. Sie suchen Jesus. Und uns wahrscheinlich auch.«
    »Wer, >sie    »Der Sanhedrin, die Priester, Herodes, was weiß ich. Nun leg dich aber schlafen!« fügte Simon Petrus nach einer Weile hinzu.
    Gegen Mittag weckte er Matthäus. »Wir müssen fort von hier. Du und Philippus, ihr habt uns zu leicht gefunden. Anderen könnte das
    auch gelingen«, verkündete er.
    Also verließen sie Betanien — in Zweiergrüppchen und angemessenen Abständen, um kein Aufsehen zu erregen. Sie wanderten nicht lange, denn die Sonne stand noch hoch an jenem

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