Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Mensch namens Jesus

Ein Mensch namens Jesus

Titel: Ein Mensch namens Jesus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerald Messadié
Vom Netzwerk:
daß sie, Maria, Tochter des Hohenpriesters Simon, eine der zehn Ehefrauen von Herodes dem Großen gewesen war. Das schwarze Kleid, das sie trug, verriet ihren Witwenstand, denn ihr zweiter Ehemann, Kleophas, war ebenfalls seit einigen Jahren tot. Zu ihren Füßen saß ihre Enkelin Maria Magdalena, die Schwester des verstorbenen Lazarus, dieselbe, die Jesus das Öl aufs Haupt gegossen hatte. Sie sah auf und erhob sich, um ihrer Base die Hand zu küssen. »Nun, mein Kind, was hast du während der letzten Stunden in Erfahrung bringen können?« erkundigte sich Maria, die Witwe des Kleophas.
    »Kann ich etwas heißen Wein haben?« bat Salome, während sie sich die kalten Füße rieb. »Es ist eisig draußen! Vater sagt, daß er sich gegen Jesus’ Verhaftung stellen wird, obwohl meine Mutter diesen Mann genauso verabscheut, wie sie Jokanaan verabscheut hat.«
    »Ah! >Vater sagtVater wird sich gegen Jesus’ Verhaftung stellen<, nein, sie drückt sich vorsichtig aus: >Vater sagt<, weil sie ihn kennt. Und was veranlaßt ihn dazu, sich dem Willen seiner Frau zu widersetzen?«
    »Wer weiß?« antwortete Salome, während sie an dem heißen Getränk nippte. »Vielleicht seine Abneigung gegenüber Kaiphas. Oder auch um meine Mutter zu ärgern. Sagt mal, wie ist dieser Jesus eigentlich?«
    Maria Magdalena schien die Frage zu verstimmen. Sie antwortete mürrisch: »Er ist groß und ruhig und weckt in jedermann unwillkürlich Bewunderung.« Dann bat sie ihre Großmutter, sich zurückziehen zu dürfen, weil sie müde sei.
    »Maria Magdalena mag mich nicht wegen Jokanaans Tod«, seufzte Salome, als ihre Base verschwunden war. »Aber schließlich war es doch nicht ich, die ihn enthaupten ließ. Ich hätte anders entschieden«, fügte sie versonnen hinzu.
    »Kind«, sagte die alte Frau streng, »hier handelt es sich um heilige Männer!«
    »Soll das etwa heißen, daß sie deshalb keine Männer als solche sind?« entgegnete Salome.
    Maria verzog das Gesicht. »Man merkt, daß herodianisches Blut in deinen Adern fließt«, bemerkte sie mit einem bitteren Unterton. »Doch diese Beute, Salome, ist um einiges zu groß für deine kleinen Krallen. Dieser Mann ist der Messias. Verstehst du, was das bedeutet? Ein Mann, den der Herr uns gesandt hat.« Sie schloß die Augen und fügte hinzu: »Wir haben eben die Nachricht bekommen, daß er vor einer Weile verhaftet wurde. Der Herr möge uns gnädig sein!« Ihre gichtigen Hände reckten sich gen Himmel.
    »Ist demnach alles verloren?« fragte Salome. »Und Herodes kann nichts dagegen unternehmen? Er würde es mir gewiß nicht abschlagen, wenn...«
    »Dein Stiefvater besitzt keinerlei Macht in Jerusalem!« schnitt ihr Maria das Wort ab. »Hier ist es Pontius Pilatus, der das Sagen hat. Aber vielleicht gelingt es mir zu verhindern, daß Jesus am Kreuz sterben muß.«
    »Am Kreuz?« schrie Salome auf.
    »Ja, was hast du denn gedacht, kleine Prinzessin? In Kaiphas, seinem Schwiegervater Hannas und der ganzen Bande vom Sanhedrin steckt mehr Entschlossenheit als in diesem verweichlichten Herodes. Sie wollen Jesus’ Tod, weil allein schon seine Existenz die ihre bedroht. Pilatus hingegen... Aber Kind, wenn du das irgend jemandem weitererzählst, wirst du nie wieder diese Schwelle hier überschreiten!«
    »Ich habe noch nie ein Geheimnis ausgeplaudert«, erwiderte Salome hochmütig.
    »Gut. Pilatus’ Frau hat mich vorhin aufgesucht. Auch er ist dagegen, daß man Jesus hinrichtet. Seine Gründe allerdings sind absurd!«
    »Welche Gründe?«
    »Er stellt sich vor, man könne Jesus unter der Oberhoheit Roms zum König von Judäa ernennen! Gibt es etwas Undurchsichtigeres als das Gehirn eines Römers, der sich in jüdische Angelegenheiten mischt?«
    »Und wie wollt ihr verhindern, daß Jesus am Kreuz stirbt?« wollte Salome wissen, während sie ihr Glas leerte.
    »Durch Bestechung. Wir sorgen dafür, daß er nicht lange am Kreuz bleibt. Und wir werden verhindern, daß man ihm die Schienbeine bricht.«
    »Werde ich ihn zu sehen bekommen?«
    Doch die Witwe des Kleophas schien sie nicht mehr zu hören. Noch einmal hob sie die Arme zum Himmel, schlug sich an die Brust und klagte, der Herr habe sich von den Juden abgekehrt.
    Salome setzte sich zu ihr, um ihre Hand zu halten.
    »Du mußt wieder zurück«, meinte die alte Frau und trocknete ihre Tränen. »Es ist spät geworden. Bist du auch sicher, daß

Weitere Kostenlose Bücher