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Ein Mensch namens Jesus

Ein Mensch namens Jesus

Titel: Ein Mensch namens Jesus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerald Messadié
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ein. Man nannte diesen Ort den Garten Getsemani, weil hier in den ersten Frühlingswochen für gewöhnlich Veilchen und Cyclamen einen bunten Blütenteppich bildeten.
    »Machen wir kurz Rast!« beschloß Jesus. Er wollte beten. Johannes schlug vor, die Straße noch ein Stück weiterzugehen, damit sie sich im Wald verstecken konnten, doch keiner hörte auf ihn. Simon Petrus setzte sich und war im Handumdrehen eingenickt. Matthäus folgte seinem Beispiel.
    »Und schon eingeschlafen?« fragte Jesus. »Kann denn keiner eine Stunde mit mir wachen? Ihr werdet doch wohl jetzt nicht alle schlafen!«
    Simon Petrus, der wieder aufgeschreckt war, versprach, wach zu bleiben. Seine Stimme war träge und schläfrig.
    »Ja«, murmelte Jesus, »der Geist ist willig, das Fleisch aber ist schwach.«
    Verzweifelt suchte er nach einer Lösung. Wenn er flüchtete, ließ er sein Volk im Stich. Blieb er aber, so war er verloren.
    Da schrie auf einmal Johannes: »Wacht auf!«
    Waffen und Harnische blinkten im Schein der Fackeln. Die Häscher standen nur wenige Schritte vor ihnen, schienen jedoch unschlüssig, welchen der neun Männer es zu verhaften galt. Gespenstisch warf das Licht der Fackeln ihre Schatten auf den weißverschneiten Erdboden.
    »Diesen da!« rief Judas, stürzte sich auf Jesus und packte ihn am Arm. »Das ist euer Mann!«
    Zwanzig Bewaffnete, Juden wie auch Römer, sprangen nun auf Jesus zu und kreisten ihn ein. Hier der rote Mantel eines Römers, dort der schwarze Umhang eines Juden, Schwerter sprangen aus der Scheide, und Knüppel wurden geschwungen. Rauhe Hände ergriffen ihn an Schultern und Handgelenken und stießen ihn vor Gedalja hin. Da erscholl ein Schrei, gefolgt von wilden Flüchen. Ein Bediensteter aus dem Hause des Kaiphas hielt sich mit schmerzverzerrtern Gesicht die Wange. Das Blut strömte ihm über die Schulter. Eine der Wachen besah sich ein Stück rosiges Fleisch etwas genauer, das zu Füßen des verletzten Mannes im Schnee schimmerte. Es war ein Ohr.
    »Verbindet ihm den Kopf, damit er zu bluten aufhört!« meinte einer. »Und setzt ihm unter dem Verband das Ohr an! Wer weiß, vielleicht wächst es wieder an«, riet ein anderer.
    »Warum bittest du nicht den Messias, ein Wunder zu wirken?« spöttelte ein dritter.
    Gedalja wurde nervös. Wer hatte das Ohr abgeschlagen? Nur Matthäus trug eine Waffe bei sich; Jesus sah sich nach ihm um, aber da war kein Matthäus mehr. Auch kein Simon Petrus, Jakobus, Johannes oder Natanael.
    »Zum Kuckuck noch mal«, rief plötzlich ein Offizier, »was machst du da hinten, Claudius?«
    Ein Stück entfernt von ihnen kämpfte ein Römer fluchend mit einer Gestalt, die man in der Dunkelheit nicht recht erkennen konnte, die aber Ähnlichkeit mit Johannes hatte. Der Römer hatte sich in das Gewand seines Gegners verkrallt. Man hörte das Geräusch von reißendem Stoff, dann einen Aufschrei des Römers, und im selben Augenblick verschwand ein junger Mann nackt und wie ein gehetztes Wild zwischen den Olivenbäumen.
    Gedalja befahl, Jesus eine Fackel vors Gesicht zu halten, und trat näher, um den Gefangenen in Augenschein zu nehmen.
    »Haltet ihr mich für einen Banditen, daß ihr mit Schwertern und Knüppeln kommen müßt, um mich zu verhaften?« fragte Jesus. »Tag für Tag hättet ihr nur den Arm auszustrecken brauchen, um meiner habhaft zu werden. Aber natürlich, am hellichten Tag hättet ihr mich gewiß nicht festgenommen, ist es nicht so?«
    »Los, vorwärts!« war der einzige Kommentar des römischen Offiziers.
    Sie machten sich auf den Weg zurück nach Jerusalem. Ein Hase hoppelte ihnen zwischen den Füßen hindurch. Die verwaschenen Farben des grauenden Morgens zeigten sich allmählich am Horizont. Schließlich gelangten sie vor ein Haus, das Jesus unbekannt war. Auf Gedaljas Klopfen hin öffnete sich augenblicklich die Tür, und ein Sklave warf einen Blick auf die nächtlichen Besucher. Er riß den Mund auf und lief eilends ins Haus zurück. Kurz darauf erschien Hannas voll bekleidet in der Tür, musterte Jesus und nickte dann bedächtig. »Der Hohepriester ist in der Quadernhalle«, sagte er, worauf sich der Zug wieder in Bewegung setzte.
     
    Der hasmonäische Palast, um den ringsum römische Soldaten Wache standen, war hell erleuchtet. Sämtliche Fackeln, die aufzubieten waren, schienen zu brennen. Die Schar mit ihrem Gefangenen zog durchs Tor und überquerte den quadratisch angelegten Hof, der die Residenz des Pilatus vom Gebäude des Sanhedrin trennte. Jesus,

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