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Ein Mensch namens Jesus

Ein Mensch namens Jesus

Titel: Ein Mensch namens Jesus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerald Messadié
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Geschichten von tapferen Männern, die sich mit Gespenstern schlugen, und von Schwertern, die unantastbare Leiber durchbohrten. Mit herablassendfreundlicher Nachsicht war er mit dergleichen umgegangen, und nun plötzlich verhandelte er, der Stellvertreter Roms, mit einem immateriellen Gegner, und zwar nicht etwa mit einer Gottheit, die sich strahlend über dem festen Erdboden erhob, sondern mit einem Nebelschleier, der sich brodelnd und wallend im Dämmerlicht über ein ungewisses Terrain legte. Allein schon diese Idee von einem Mann, der der Gesandte eines allmächtigen Gottes sein soll! Er zuckte mit den Achseln.
    »Woran denkst du?« fragte Procula.
    »An Salome«, log er.
    »Was ist mit Salome?«
    »Kundschafter haben mir berichtet...«
    »Ja?«
    »Nun, Kundschafter haben mir berichtet, daß sie gemeinsam mit ihrer Großmutter Maria, der ersten Gemahlin Herodes’ des Großen und späteren Frau des Kleophas, ein Komplott zur Rettung Jesus’ vorbereitet«, sagte Pilatus, während er sich von der Betrachtung der judäischen Landschaft abkehrte.
    »Salome?« wunderte sich Procula. »Ich dachte immer, daß gerade sie für die Hinrichtung jenes Eremiten Jokanaan verantwortlich ist, der doch ein Mitstreiter von Jesus war.«
    »Trotzdem besteht kein Zweifel. Na ja, auf jeden Fall passen meine Leute auf, daß Jesus heute abend nichts geschieht. Gute Nacht!«
     
    Ein Diener kam, um Josef von Arimathäa zu melden, daß kurz zuvor zwei bewaffnete Trupps, ein römischer und ein anderer von der Tempelpolizei, vor der Tür des Kaiphas gesehen worden seien. Dann räumte er den Tisch ab, an dem sein Herr und dessen Gast Nikodemus ben Bethyra soeben zu Abend gegessen hatten. Er stellte vor jeden einen Krug leicht parfümierten Wassers und eine Karaffe Samos-Wein, der wie roter Topas funkelte.
    »Sie sind aufgebrochen, um Jesus zu verhaften«, stellte Josef von Arimathäa fest. »In einer Stunde wissen wir mehr.«
    Nikodemus schnalzte mit der Zunge. »Einer der besten Weine, die ich je getrunken habe«, meinte er. »Er hat einen leisen Harzgeschmack und ist nicht so gesüßt wie manche andere griechische Weine.« Dann, nachdem beide eine Weile ihren Gedanken nachgehangen hatten, fragte er: »Was wird geschehen, wenn Pilatus Jesus freiläßt?«
    »Innerhalb weniger Stunden wird man Jesus zum Helden machen. Es wird Prozessionen von singenden Menschen geben, die seine Krönung fordern. Binnen kürzester Zeit wird der Sanhédrin seine gesamte Macht verlieren, und im Tempel wird es drunter und drüber gehen, wenn beispielsweise Leute sich weigern, die Händler zu bezahlen. Das und vieles andere werden wir dann erleben. Pilatus wird sich dem Willen des Volke scheinheilig beugen und Kaiphas seines Amtes entheben, um Jesus an seine Stelle zu setzen.« Er seufzte. »Pilatus und Rom haben die Unzufriedenheit des Volkes satt. Sie wollen Frieden und Ordnung. Also werden sie durchaus geneigt sein, einen neuen Hohenpriester einzusetzen, der wieder Ruhe in Jerusalem und Judäa einkehren läßt. Es wäre nur noch interessant zu wissen, ob sich Pilatus Rom gegenüber für den Statuswechsel einer römischen Provinz in ein unabhängiges Königtum aussprechen wird, wie es unter Herodes dem Großen der Fall war. Mit anderen Worten, ob er Jesus zum König von Judäa machen will.«
    »König von Judäa«, murmelte Nikodemus. »Das hieße ja in Wirklichkeit König von Israel. Und Herodes?«
    »Herodes könnte wie sein Bruder Philippus den Tetrarchentitel behalten; bis zum Tod. Danach bestünde die Möglichkeit, wieder ein vereinigtes israelisches Königreich zu schaffen.«
    Nikodemus strich sich durch seinen Bart, den er in Erinnerung an einen langen Aufenthalt in Alexandria nach ägyptischer Art trug. »Aber wir kennen Jesus«, gab er zu bedenken. »Er wird sich diesen Plänen nicht unbedingt fügen. Er drückt sich nie klar aus, und er hat sich bisher nicht einmal selbst als Messias bezeichnet.«
    Josef klatschte in die Hände. Ein Diener erschien.
    »In diesem Zimmer schwirrt es geradezu von Mücken«, sagte Josef. »Hat man Netze vor den Fenstern anbringen lassen?«
    »Eines der Netze hat Löcher, Herr.«
    »Dann schließ das Fenster, solange das Netz nicht erneuert ist, und bring ein paar Zitronenblätter und Aloe zum Anzünden! Ja, es stimmt«, wandte er sich wieder Nikodemus zu, »er drückt sich nicht klar aus. Gelegentlich finde ich das, was er sagt, sogar unzusammenhängend. Nehmen wir zum Beispiel diese Idee, die er in letzter Zeit

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