Ein Mensch namens Jesus
mitzuteilen, daß Jesus, der Sohn des Josef, bei Josef von Arimathäa zu Abend esse. Dann führte er Jesus in einen großen Raum im hinteren Teil des Hauses. Eine Holzbank war das einzige Möbelstück im Raum. Auf dem Boden standen mit dampfendem Wasser gefüllte Holzzuber und eine Schüssel. Jonathan nahm etwas von der Bank, was Jesus noch nie gesehen hatte: eine mit Sandelholzessenz parfümierte Natronseife.
»Damit kann man sich wunderbar reinigen. Zuerst machst du deinen Körper gründlich naß, dann reibst du dich mit dieser Seife ein und spülst sie anschließend sorgfältig ab. Hier sind die harten Bürsten für die Füße. Wasch du dich zuerst, aber mach schnell! Ich werde ein Gewand in deiner Größe von einem meiner jüngeren Brüder holen.« Er schloß die Tür hinter sich. Als er zurückkam, trug Jesus bereits wieder seine alte Kleidung.
»Das ist meine eigene. Ich brauche nicht wohlhabend auszusehen.«
»Ich hatte nicht vor, dich wohlhabend aussehen zu lassen«, meinte Jonathan sanft. »Ich wollte nur, daß du sauber aussiehst. Deine Kleider sind schmutzig. Das entspricht nicht den Vorschriften für das Passah-Fest. Laß sie hier! Morgen werden sie sauber und trocken sein.« Jesus nickte und zog sich um.
»Und dieser Hirtenstab ist mein Geschenk für dich«, sagte Jonathan und reichte dem Jüngling einen kräftigen Stock aus Akazienholz. »Nun geh, jetzt werde ich mich waschen.«
Es gab dieselbe Mahlzeit wie in allen Häusern: ungesäuertes Brot, bittere Kräuter und gebratenes Lamm. Die Männer aßen zügig. Die Frauen hielten sich ständig bereit für die nötigen Handgriffe zu ihrer Bedienung. Gleich nach Beendigung des Mahls ergriffen sie Geschirr, Brot, Salz und Pfeffer. Die Speisereste wurden sofort an die Armen und Bettler verteilt, die vor der Türe warteten. Die Tischgäste wischten mit der rechten Hand die Brotkrumen zusammen, sammelten sie in der linken und aßen auch sie. Dann erhoben sie sich, um mit dem Stab in der Hand dem Herrn zu danken. All dies dauerte kaum eine halbe Stunde.
Dann zogen sich die Männer in das Zimmer zurück, in dem sie vor dem Abendessen gewartet hatten. Jonathan flüsterte seinem Vater etwas zu, der daraufhin nickte.
»Mein Sohn sagte mir, daß du Priester werden möchtest«, wandte er sich freundlich an Jesus.
Wann hatte er dies gesagt? Ach ja, auf dem Rückweg. Jesus bestätigte es und blickte dabei zu Jonathan hinüber.
»Willst du in Jerusalem oder lieber in Galiläa Priester werden?« fragte Josef.
Der Großvater verfolgte aufmerksam die Unterhaltung. Jesus war überrascht; er hatte sich diese Frage noch nicht gestellt.
»Wir haben viele Priester in Jerusalem, aber nur wenige in Galiläa. Kommst du aus Galiläa?«
»Ich bin in Bethlehem geboren. Ich stamme aus dem Hause Davids.« Mehrere Augenpaare wandten sich nun Jesus zu. Josef schien gerade zu einer Bemerkung zu dieser Antwort ansetzen zu wollen, besann sich jedoch eines anderen und strich sich durch den Bart. Jonathan flüsterte seinem Vater wieder etwas ins Ohr. Jesus vernahm nur das Wort »Ägypten«.
»Wenn er aus dem Hause Davids ist, muß er in Judäa Priester werden«, warf der Großvater mit zittriger Stimme ein.
»Du wirst in jedem Fall, sobald du dich entschieden hast, Priester zu werden, von deiner Familie Abschied nehmen müssen. Du wirst auf dich allein gestellt sein«, sagte jetzt Josef.
War das eine Ermunterung?
»Mein Sohn meint, du seist scharfsinnig. Sag mir, weshalb du dich geweigert hast, im Tempel zu beten!«
»Der Tempel ist eher ein Palast als ein Ort zum Beten«, sagte Jesus. »Und dieses Handeln und Feilschen so nah bei den Säulengängen!«
Der Großvater brach in ein meckerndes Gelächter aus, und auch die anderen begannen zu lachen. Jesus spürte schon Ärger in sich aufsteigen, als der Großvater bemerkte: »Dieser Junge verfügt über mehr gesunden Menschenverstand als viele Erwachsene.«
»Der Tempel ist der Palast des Herrn«, gab Josef zu bedenken.
»Wie kannst du so etwas sagen?« hielt ihm der Großvater entgegen. »Jedermann weiß, daß er ein Denkmal zu Ehren dieses heidnischen Usurpators ist, des Sohnes eines anderen heidnischen Usurpators! Bring diesen Jungen doch nicht durcheinander!«
»Immer ruhig, Vater!« sagte Josef. »Ich würde gern wissen, welche Überlegungen unser Gast hier anstellt.«
»Unser Vater braucht keinen Palast«, sagte Jesus. »Ihm gehört die ganze Welt.«
»Womit wir wieder in der Wüste wären«, murmelte ein Onkel. »Die
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