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Ein Mensch namens Jesus

Ein Mensch namens Jesus

Titel: Ein Mensch namens Jesus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerald Messadié
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alte Geschichte!«
    Ein Diener brachte ein Tablett, auf dem Becher mit Granatapfelsaft standen; er reichte sie in der Runde umher und warf dann Sandel- und Zedernholzspäne auf die in einem irdenen Gefäß glühende Kohle. Vom Rauch aufgeschreckte Nachtfalter stürzten sich in einen sinnlosen Tanz.
    »Wenn er in Jerusalem Priester werden soll, dann muß er den Schriftgelehrten vorgestellt werden, und zwar den aufgeschlossensten. Spricht er nämlich auf diese Weise, macht er sich den ganzen Tempel zum Feind.«
    »Schicken wir ihn doch zu Mattathias!« schlug Jonathan vor. »Mattathias, ja, das ist in der Tat der richtige Mann«, pflichtete ihm Josef bei.
    »Zweitausend Priester gibt es in Jerusalem, und wir können nur einen einzigen Mann empfehlen!« keifte der Großvater und fuchtelte mit den Armen in der Luft. »Ich möchte diesem Jungen gern Hebräisch beibringen. Sag mir, Jesus, willst du, daß ich dich die hebräische Sprache lehre? Du mußt Hebräisch können, um die Bücher zu lesen.«
    Der alte Mann legte ihm seine Hand auf den Kopf, und Jesus lächelte ihn an.
    Als sich Jonathan und Jesus in das Zimmer, das sie miteinander teilen sollten, zurückgezogen hatten, sagte Jonathan, schon im Dunkeln liegend: »Ich hoffe, daß dich all diese Fragen nicht zu sehr gestört haben?«
    »Ich habe den Eindruck, daß ich zu leben beginne«, erwiderte Jesus. In dieser Nacht hatten sie beide einen Traum. Der eine träumte, er sei David begegnet, der andere, wie sehr er sich nach einem Vater sehnte.
    Einen Großteil des nächsten Vormittags verbrachten sie mit der Suche nach Mattathias. Der steckte irgendwo unauffindbar in einem Labyrinth, zumindest kam es Jesus so vor. Als Jonathan endlich zu ihm vorgedrungen war und ihm Jesus auf Empfehlung seines Vaters als einen Jungen vorstellte, der das Gesetz studieren wolle, geruhte Mattathias, ein gewisses, etwas überraschtes Interesse zu zeigen. Er sagte es zwar nicht, aber wahrscheinlich kam es ihm merkwürdig vor, daß der einflußreiche Josef von Arimathäa ihm einen Burschen von niederem Stand empfahl; denn wenn der Junge aus gutem Hause gewesen wäre, dann hätte er doch keine Empfehlung nötig gehabt, der Name allein hätte schon genügt. Aber »Jesus, Sohn des Josef«, das bedeutete im Grunde genommen gar nichts. Dieser Junge würde nie die höheren Weihen erlangen, die nur Juden reiner Herkunft zuteil wurden; nur sie waren zum Beispiel berechtigt, Todesurteile zu verkünden. Jesus nahm diese feine Unterscheidung instinktiv wahr, und dies versetzte ihn in eine Stimmung, die der von damals, als seine Halbbrüder in ihr Haus in Kafarnaum gekommen waren, sehr ähnlich war. Plötzlich fragte er sich, ob er denn wirklich Lust hatte, Priester zu werden, aber er hatte sich nun einmal auf die Sache eingelassen, Jonathan hatte sich eingeschaltet, und Josef von Arimathäa hatte ihm seine einflußreiche Unterstützung gewährt; wie ein Vater hatte er gehandelt, einfach so, nur weil ihm seine Antworten gefallen hatten; es wäre nicht anständig gewesen, ihn zu enttäuschen, dessen war sich Jesus vollkommen bewußt.
    Dieser Mattathias nun war abgrundtief häßlich. Von gedrungener Gestalt und mit einem faltigen Gesicht, das an ein besprengtes Leintuch erinnerte. Seine Körperhaltung wirkte plump und linkisch, so als würde er ständig nach einer Seite fallen. Er hatte eine gelbliche Gesichtsfarbe und Triefaugen. Dazu war er arrogant. Und erst die gräßlichen Füße! Klobige und behaarte Füße, denn natürlich ging Mattathias barfüßig wie alle Tempelpriester, was auch erklärte, weshalb sie ständig erkältet waren.
    Er neigte sich zu Jesus und fragte ihn mit süßlicher Stimme: »Wie heißt du? Und woher kommst du?«
    »Ich heiße Jesus, Sohn des Josef, und ich komme aus Kafarnaum in Galiläa.«
    »Kafarnaum in Galiläa, so?« sagte Mattathias mit einem subtilen Lächeln auf den Lippen. »Gibt es etwa noch ein anderes Kafarnaum?« Er warf Jonathan einen verständnisinnigen Blick zu. »Und mir wurde gesagt, daß du Priester werden willst, stimmt das?«
    »Das stimmt.«
    »Und warum willst du Priester werden?«
    »Um zur Wiederherstellung des Gesetzes beizutragen.«
    »Wiederherstellung?« wiederholte Mattathias. »Wird das Gesetz denn nicht richtig befolgt?«
    »Darüber kannst du selbst befinden«, sagte Jesus.
    Mattathias hob erstaunt den Kopf. »Allein in Jerusalem gibt es über zweitausend Priester, und im ganzen Land noch viel mehr«, meinte er. »Soll man denn hinter jeden

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