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Ein Mensch namens Jesus

Ein Mensch namens Jesus

Titel: Ein Mensch namens Jesus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerald Messadié
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Zeus! Pein, nichts als Pein hast du mir gegebene«
    »Langsam komme ich zu der Überzeugung, daß du ein weitaus philosophischerer Kopf bist, als es dein Beruf als Architekt vermuten ließe«, sagte Ion. »Du beziehst dich oft auf die Mythologie.«
    »Die Mythologie ist ebensosehr Wirklichkeit wie diese Frucht hier. Sie vereint in sich alles, was in den Windungen der menschlichen Gehirne gärt, alle Leidenschaften und alle Träume. Ideen vergehen, nicht aber die Mythen.«
    »So wird also dieser jüdische Prophet, den du kommen siehst, als Opfer enden.«
    »Wenn er ein Held ist, ein großer Held, wird er auch ein Halbgott sein. Alle großen Helden sind Halbgötter, und alle Halbgötter enden als Opfer.«
    Ion lächelte. »In deiner Gesellschaft hat man das Gefühl, mit den Augen den Schleier der Zukunft zu durchdringen. Ich bin neugierig auf den Augenblick, in dem dieser Prophet in Erscheinung tritt.«
    »Du machst dich über mich lustig«, bemerkte Eukrates und leckte sich den Oberlippenbart.
    »Das würde ich mir nie erlauben! Es ist mir wirklich nie bewußt gewesen, daß die Helden auch Halbgötter waren und als Opfer endeten.«
    »Wir haben von Dionysos und Herakles gesprochen. Aber da gibt es auch noch Tammuz bei den Sumerern und Osiris bei den Ägyptern, obwohl letzterer als richtiger Gott gilt. Ein Held ist jedenfalls immer ein Störenfried, der die anderen aus ihrem bequemen Leben reißt. Und je erfolgreicher er ist, um so mehr Feinde macht er sich.«
    Eukrates machte sich an seine letzte Zitrone und bemühte sich diesmal, die Schale in einer einzigen Spirale abzuschälen, die er dann zwischen Daumen und Zeigefinger baumeln ließ.
    »Das Grundmuster gewisser Ereignisse wiederholt sich immer wieder, und doch wiederholen sich die Ereignisse selbst nie.«
    Wieder zog ihn ein Bettler am Ärmel und flehte ihn, noch dazu in schlechtern Griechisch, im Namen Davids um eine Gabe an. Eukrates besah sich den Bettler genauer; er war noch ein Kind, offensichtlich bei bester Gesundheit, doch vor Dreck starrend. Die Augen des Jungen waren verkrustet und verklebt. Anstatt ihm Geld zu geben, zog Eukrates den jugendlichen Bettler, der vor Angst laut heulte, kurzerhand zu einem nahe gelegenen Brunnen. Dort wusch er ihm sorgfältig das Gesicht. Das Kind blinzelte mit den Augen. Sie waren dunkelbraun.
     

X.
     
    Begegnung mit den Schriftgelehrten
     
    Aus jedem Haus Jerusalems stieg Rauch empor. In allen Stadtvierteln roch es nach gebratenem Fleisch.
    Etwa eine Stunde vor Sonnenuntergang hielten sich nur noch Fremde auf den Straßen auf, die ab und zu stehenblieben, um die Juden zu beobachten, die ihre Türpfosten mit blutgetränkten Majoranzweigen besprengten, mit dem Blut der Lämmer, die an diesem Tag geopfert worden waren und die nun auf einem Spieß über dem Holzfeuer brutzelten. Dies geschah zum Gedenken an jenen fernen Tag, an dem der Gott der Hebräer alle männlichen Neugeborenen Ägyptens mit Ausnahme der Seinen getötet hatte.
    Das Jerusalemer Haus des Josef von Arimathäa war groß, es lag ganz in der Nähe des Tempels und direkt beim alten Palast der Hasmonäer.
    Jonathan blieb an der Schwelle eines geräumigen, großzügig erhellten Zimmers stehen, in dem ein Dutzend Männer, alte wie junge, auf Bänken saßen oder auf Schemeln hockten. Sie hatten soeben ein Bad genommen, denn ihre Bärte waren noch feucht und ihre Füße ganz gerötet. Sandelholzduft lag in der Luft. Die Männer trugen überwiegend gestreifte, in kräftigen Farben leuchtende Gewänder, die ganz im Gegensatz zu ihrem feierlichen Gebaren standen. Jeder von ihnen hielt einen Hirtenstab in der Hand zur Erinnerung an die Zeit, als die Juden noch Nomaden waren.
    Aller Blicke wandten sich den Neuankömmlingen zu und ruhten dann lächelnd und fragend auf dem jüngeren der beiden.
    »Du wärst beinahe zu spät gekommen, Jonathan«, sagte ein etwa vierzigjähriger Mann. »Ich heiße deinen Freund willkommen.«
    »Guten Abend, Vater. Guten Abend, Großvater. Guten Abend, ihr Onkel und Brüder. Ich möchte euch Jesus vorstellen, den ich eingeladen habe, mit uns zu Abend zu essen. Er ist der Sohn von Josef, einem Rabbiner und Zimmermann aus Kafarnaum.«
    »Willkommen, mein Sohn«, sagte der Vater zu Jesus. »Vielleicht willst du dich vor dem Essen etwas frisch machen. Jonathan wird dich begleiten.«
    »Komm«, sagte Jonathan, »wir müssen uns beeilen.«
    Er rief einen Diener und beauftragte ihn, dem Schriftgelehrten Simon in der Straße der Schreiber

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