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Ein Mensch namens Jesus

Ein Mensch namens Jesus

Titel: Ein Mensch namens Jesus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerald Messadié
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Henna färbte, zeugte davon, daß er auf eine gepflegte Erscheinung achtete. Wachen Blickes sah er dem Eintretenden entgegen. »Willkommen in der Nachbarschaft, mein Sohn! Man sagte mir, du seist der Sohn eines Priesters namens Josef aus Kafarnaum. Ich wußte nicht, daß es einen dieses Namens gab, ich kenne jedoch meinen Kollegen aus Kafarnaum.«
    »Mein Vater war in Jerusalem Priester. Er wirkte am Bau des Tempels mit. Später erst ließen wir uns dann in Kafarnaum nieder.«
    »Und welch glücklicher Zufall führt dich ins Haus des Herrn in Betsaida?«
    Jesus erzählte den Vorfall mit den Bauern. Zacharias hob die Schultern. »Ewig jammern und lügen sie, diese Bauern«, sagte er. »Der Beweis dafür ist, daß sie einen toten Rabbiner beschuldigen, er schlage sie. Du hättest die Feigen nehmen sollen, ohne sie lang zu fragen. Was sind schon ein paar Feigen!«
    »Ich pflege mich gewöhnlich nicht in Obstgärten einfach so zu bedienen. Wie dem auch sei, diese Bauern schienen zu Tode erschrocken. Wer schlägt sie? Wurden sie von Barnabas geschlagen?«
    »Gibt es denn in Kafarnaum keine Bauern?« fragte Zacharias spitz. »Doch, natürlich, aber mir ist nicht bekannt, daß man sie schlägt.«
    »Die haben aber Glück! Bauern sind überall bösartige Esel und kaum als menschliche Wesen zu bezeichnen, wie du ja weißt.«
    »So, weiß ich das?« fragte Jesus kalt.
    »Soll das heißen«, brauste Zacharias plötzlich auf, »daß ich meine Zeit wegen des Gejammers eines Bauern vergeuden soll? Nenn mir seinen Namen, dann prügle ich ihn eigenhändig durch!« Er schlug die Beine übereinander, nahm sie dann wieder auseinander und fächelte sich Luft zu. »Habe ich richtig verstanden, daß dein Vater Priester in Jerusalem war? Heißt das, daß er in Kafarnaum keiner war?«
    »Er ist bis zum letzten Tag seines Lebens Priester geblieben, aber er hat es vorgezogen, in Kafarnaum Zimmermann zu sein.«
    »Ist das nicht eigenartig?« murmelte Zacharias.
    »Das ist es in der Tat. Ich werde mich nun, nachdem ich festgestellt habe, daß die Bauern nicht lügen, verabschieden, und zwar mit einem Zitat von Ezechiel.«
    »Ezechiel?« wiederholte Zacharias.
    »>Wie ich die Hirten Jerusalems verachte, die sich nur um sich selbst kümmern!<«
    »Soll man sich etwa auch noch um die Hasen und Mäuse auf den Feldern kümmern?« ereiferte sich Zacharias. »Warum kümmerst du dich nicht um sie? Warum gehst du nicht predigen? Du bist der Sohn eines Priesters, also bist du unterrichtet. Geh doch den Tieren predigen!« Und er lachte schallend.
    »Nimm dich in acht, daß der Herr nicht auch dir Lehren erteilt!« rief Jesus laut, als er den Raum verließ.
    »Unerhört!« schrie Zacharias. »Du bist sicher ein Zelot!«
    Jesus ging so schnell, daß er die Stadt hinter sich ließ, ohne es gewahr zu werden. Zwei Stunden später erreichte er das Dorf Kursi. Er hatte es kaum betreten, als seine Aufmerksamkeit auch schon auf eine Menschenansammlung gelenkt wurde, die sich auf dem Dorfplatz gebildet hatte. Zwei oder drei Dutzend Leute standen im Kreis um ein Spektakel herum, das er nicht erkennen konnte. Das ungewöhnliche an der ganzen Szenerie war die Stille. Die Bauern sprachen gewöhnlich laut und barsch, diese hier aber flüsterten kaum. Er bahnte sich einen Weg durch die Reihen nach vorne. In der Mitte des Kreises saß ein dicker, seltsam gekleideter Mann: Er trug ein weites Gewand aus weißer Seide mit reichbesticktem Kragen und Saum, ein pelzbesetztes Käppchen, Ketten, Ringe und rote Filzpantoffeln. Ihm gegenüber stand ein Junge, dessen Augen so verkrustet waren, daß es ihm unmöglich war, sie zu öffnen. Der dicke Mann wiegte rhythmisch seinen Oberkörper und Kopf, wobei er unverständliche Worte psalmodierte. Trotz der exotischen Erscheinung dieser Person vermutete Jesus, daß die so vor sich hin gemurmelten Worte nur eine Art Zauberspruch waren, denn er konnte zwei oder drei griechische und einige syrische Worte heraushören. Die Stimme des Mannes wurde schriller und schriller, bis sie mit einem Schrei abbrach. Er strich mit seinen Händen über einen gefüllten Holzzuber und schüttete dabei heimlich ein Pulver hinein, wodurch sich das Wasser rot färbte. Dann ließ der Mann den Jungen vor dem Zuber niederknien. Er drückte seinen Kopf unter Wasser, wo er ihn festhielt, bis der Unglückliche — vermutlich war er dem Ertrinken nahe — heftig mit den Armen ruderte. Während dieser Zeremonie stieß der Mann kurze Schreie aus. Dann drückte er den

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