Ein Menü zum Verlieben: Roman (German Edition)
stieß ich hervor. »Ich weiß es nicht! Es ist nicht so einfach, wie du dir denkst. Du kannst nicht einfach weglaufen, Jahre später wieder auftauchen und erwarten, dass alles so ist, wie es einmal war. Das Einzige, was ich jetzt wissen möchte, ist, was in diesem Brief stand. Sag es mir, verdammt noch mal!«
Ethan sah mich ironisch lächelnd an. Er überging meine Worte und sprang von der Mauer herunter.
»Die Frage ist, ob du glaubst, dass da was ist?«, hakte er wieder nach. »Ich bin mir sicher, ich mache mir nichts vor. Du spürst es doch auch, oder? Darum geht’s.«
Ich dachte daran, wie Joe seinen Morgen begann. Zumeist wusste ich, was er zum Frühstück aß. Dass er nicht mehr als einen Tropfen Milch in seinem Müsli mochte, und bevor er irgendetwas anderes zu sich nahm, eine Tasse Kaffee trank und einen Vollkornkeks aß. Dass er Stunden damit verbrachte, sein Haar mit meinem Haarwachs in Form zu legen, aber so tat, als würde er es nie benutzen. Er erschien mir plötzlich sehr weit weg, fast, als gehörte er zu einem anderen Leben, während Ethan mir unglaublich präsent erschien, sozusagen hyperreal. Ich konnte seinen Atem auf meiner Haut spüren, als er mir über die Wange strich und das Kinn leicht anhob, sodass ich ihn ansehen musste.
»Das tust du doch, oder?«, fragte er leise und nachdrücklich.
Ich wollte, dass er mich küsste.
»Ja«, antwortete ich, »aber das heißt nicht … Ich will wissen, was du mir damals geschrieben hast.«
»Das heißt, genug«, unterbrach er mich. Er beugte sich vor, seine Lippen fanden meine, und wir standen da, neben diesem Hortensienbusch, und küssten uns. Dieser Kuss war nicht zaghaft, wie ich erwartet hatte, sondern forsch und bestimmt. Dies war kein Frage-und-Antwort-Küssen wie bei Joes Vorspiel. Ethan sagte mir etwas mit diesem Kuss. Seine Hände umklammerten meine Taille, und er pfriemelte an den Knöpfen meines Overalls herum. Es ging alles so schnell, dass meine Gedanken kaum erfassen konnten, was da gerade passierte. Auch wenn eine Stimme in meinem Kopf mir zuschrie, damit aufzuhören, küsste auch ich ihn. Es war wie eine Befreiung.
»Entschuldigung«, meinte er plötzlich, löste sich von mir und fuhr sich mit den Händen durchs Haar. »Es tut mir leid, wirklich.«
»Was tut dir leid? Dass du mich verlassen hast?«, fragte ich und strich mir das Haar hinter die Ohren. »Oder das hier? Denn das tut mir auch leid. Ich sollte das nicht tun, das ist … Oh Gott, ich weiß noch nicht einmal, was ich hier mache. Du lockst mich von Joe weg und …«
»Ich habe dich nicht von ihm weggelockt«, protestierte Ethan. »Du bist aus freien Stücken gekommen.«
Der Bann war gebrochen. Ich hatte es getan. Ich hatte die Grenze überschritten und konnte nicht länger so tun, als würde ich Joe nicht betrügen. In mir stieg Panik hoch. Dad hatte mich gewarnt, ich könnte Ethan nicht vertrauen, und gesagt, er würde mir wieder das Herz brechen. Warum hatte ich ihn bloß geküsst? Mir drehte sich der Magen um.
»Sag mir, was in diesem Brief gestanden hat? Jetzt!«
»Na gut!«, erwiderte er. »Es tut mir leid, dass ich dich auf so fürchterliche Art und Weise verlassen habe. Das war echt mies von mir – verflucht, ich weiß nicht, was ich sagen soll.«
Ethan durchlitt Qualen. Ich konnte sehen, dass es ihm nahezu unmöglich war, darüber zu sprechen. Er entschuldigte sich nicht oft und war nicht gern im Unrecht.
»Ich habe mir versprochen, es dir zu sagen«, fuhr er fort und trat mit den Schuhen gegen ein paar herumliegende Steine. »Ich habe mir versprochen, die Wahrheit zu sagen, wenn du mir sagen würdest, dass du mich immer noch liebst. An diesem Brief, den dein Vater gelesen hat, führte kein Weg vorbei. Ich wusste, erst dann könnten wir uns wieder auf Augenhöhe begegnen und noch einmal von vorne anfangen, ohne Angst haben zu müssen, dass irgendwelche Geheimnisse aus der Vergangenheit hervorspringen.«
Mir gefiel nicht, was ich da hörte. Ich schaute hoch zu den Gärten. Die Leute, die vorher draußen gesessen hatten, waren hineingegangen und löschten das Licht in ihren Küchen. Es wurde wohl langsam spät.
»Mir was zu sagen?«, fragte ich mit dünner Stimme.
»Den Grund, warum ich dich verlassen habe«, antwortete er, holte tief Luft und atmete langsam wieder aus. »Ich habe dich verlassen, weil ich mit einer anderen geschlafen habe.«
Erleichtert, sich diese Last von der Seele geredet zu haben, sackten seine Schultern nach unten. Er schob die
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