Ein Mistkerl zum Verlieben
zum Besprechungstisch.
„ Vicky, da sind sie ja. Ich habe Dr. Turner gerade von ihrer fantastischen Leistung im Fall Swendon erzählt! Bitte, nehmen Sie doch Platz!“
Er deutete auf den freien Stuhl neben dem Arzt. Als sie sich gesetzt hatte, fuhr Stevens fort: „Okay, Dr. Turner, wie ich vorhin gerade angerissen habe, geht es bei dem Fall Kagan um Ira Kagan, die dreiundfünfzigjährige Gattin eines Immobilienmoguls, die sich in Santa Monica einem Facelift unterzogen hat. Zunächst ist die Operation sehr gut verlaufen, Mrs. Kagan konnte wenige Tage nach dem Eingriff die Klink verlassen. Doch kaum vierundzwanzig Stunden, nachdem sie in ihrem Ferienhaus in Santa Monica eingetroffen war, klagte sie über starke Kopfschmerzen und Übelkeit. Die Hausangestellte rief den Notarzt, der sie bereits im komatösen Zustand ins St. Johns einlieferte. Das war vor zehn Wochen. Mittlerweile ist Mr. Kagan an uns herangetreten und möchte die Praxis klagen, die seine Frau operiert hat. Er ist der Ansicht, sie wäre nicht genug über die Risiken eines verfrühten Verlassens der Klinik aufgeklärt worden. Außerdem meinte er, habe die Schnittstelle des Facelifts merkwürdig „struppig“ ausgesehen und es wäre die ganze Zeit über eine Flüssigkeit daraus hervorgetreten. Außerdem hat Mrs. Kagan eine Infektion davongetragen, die möglicherweise von unhygienischem Operationsbesteck herrührt, aber das herauszufinden wird ihre Aufgabe sein. Jedenfalls, dennoch wurde Mrs. Kagan entlassen bzw. war weder eine Drainage gegen den Flüssigkeitsaustritt gelegt, noch ein Saugverband gemacht worden, noch wurde sie über mögliche Risiken oder Spätfolgen aufgeklärt. Mr. Kagan meinte, es wäre eher wie das Kaufen eines Pullovers gewesen, als ein medizinischer Eingriff. Miss Williams hat die weiteren Details!“
Die nächste Stunden verbrachte Vicky damit, Dr. Turner Fragen über den Fall zu beantworten, mit ihm die Akten und den bisherigen Stand der Dinge durchzugehen und eine weitere Vorgehensweise zu erarbeiten. Sie hatte beschlossen, zwangsläufig zumindest beruflich – halbwegs – professionell ihm gegenüber zu sein, auch wenn es ihr schwer fiel. Neidlos musste sie zugeben, dass Dr. Turner Ahnung auf seinem Gebiet und auch Einblicke in die Rechtslage zu diesem Fall hatte. Er konnte ihr einige fachliche Fragen beantworten, die für ihre weitere Arbeit an dem Fall überaus wichtig waren und ein klein wenig war sie sogar darüber überrascht, dass hinter dem verschrobenen Macho, den sie bisher kennen gelernt hatte, ein Mann steckte, der intelligent, fachlich versiert und sprachlich sehr gewandt war. Sie war erleichtert, feststellen zu können, dass auch Dr. Turner die Zusammenarbeit mit ihr professionell angehen wollte und ihr weder Fangfragen stellte noch irgendwelche Bemerkungen, ihre gemeinsame Vorgeschichte betreffend, fallen ließ.
„ Meine Herrschaften, ich muss mich jetzt verabschieden, sie können aber jedenfalls noch in meinem Büro weiterarbeiten, ohne hier abbrechen zu müssen“, sagte Dr. Stevens, als Vicky gerade dabei war, eine soeben per Email eingetroffene Aussage des operierenden Arztes zu lesen. Ihr war gar nicht aufgefallen, dass es dunkel geworden war. Die Sonne war hinter dem Horizont verschwunden und hatte die Stadt in einen dunklen Mantel gehüllt. Schon vor einigen Stunden hatte Dr. Stevens das Licht angemacht. Seither schien die Zeit wie im Flug vergangen zu sein. „
Allerdings habe ich noch ein kleines „Anliegen“ an sie Beide!“
Vicky sah ihn an.
„ Ich habe heute morgen einen Anruf aus Los Angeles erhalten in dem mir mitgeteilt wurde, dass das Verfahren auf Wunsch der operierenden Praxis nach Santa Monica verlegt wurde. Man beruft sich darauf, dass auch die Kagan-Familie einen Wohnsitz dort hat, in New York hingegen nicht. Es ist also nötig, dass sie beide dorthin reisen. Ich würde vorschlagen, dass dies gleich Anfang nächster Woche geschieht, damit wir in dem Fall keine Zeit verlieren. Es ist wirklich mehr als ärgerlich, dass der Fall tatsächlich transferiert wurde. Die Staatsanwälte hier in New York sind unseren Anwälten gut bekannt und es ist einfach, dort eine Schiene mit ihnen zu fahren. In L.A. müssen sie zeigen, was in ihnen steckt. Aber wie dem auch sei – ich habe das Sekretariat veranlasst, für sie beide ein Haus zu mieten, damit sie nicht wochenlang im Hotel und aus dem Koffer leben müssen.“
Dr. Turner hatte wieder sein merkwürdiges Grinsen aufgesetzt
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