Ein Mistkerl zum Verlieben
vergangenen Tage geschildert hatte.
„ Eigentlich hat er mich geküsst. Ich hab ihn nur nicht davon abgehalten“, versuchte sie, sich etwas aus der Affäre zu ziehen.
„ Und was läuft da jetzt genau?“
„ Das weiß ich selber nicht.“ Vicky schaltete den Fernseher an und sah dieselbe Folge der Simpsons, die auch ein Zimmer weiter lief. Sie drücke auf die Stumm-Taste, um Gloria besser verstehen zu können, lies sich auf ihr Bett fallen und genoss die weichen Polster in ihrem Rücken.
Sie liebte ihr altes Kinderzimmer. Es war alles noch so, wie es gewesen war, als sie vor – ja, es waren mittlerweile tatsächlich – fünfzehn Jahren nach Yale gegangen war. Das Zimmer war in pudrigem, pastelligem hellrosa und hellem grün gestrichen (manche ihrer Freunde meinten früher, sie würden sich wie in einem Schweinebauch fühlen, wenn sie zu Besuch waren). Direkt gegenüber der Eingangstür lag der Balkon. Ihr gemütliches Bett fühlte sich immer noch genau so an, wie vor zwölf Jahren. An den Wänden hingen Fotos von damals und auf der Pinnwand über ihrem Schreibtisch, der sich schräg zur linken hinteren Ecke des Zimmers befand, war tatsächlich noch ein Kinoprogramm von 1998 angeheftet. Sie fühlte sich wie in ihrer eigenen Vergangenheit zu Gast.
„Meinst du, er will mehr von dir?“
„ Ich meine, dass es ziemlich schwer ist, sich ein Bild über jemanden wie ihn zu machen“, antwortete Vicky und wurde unwillkürlich in die Realität zurück verfrachtet. Hatte sie tatsächlich angenommen, Mark könnte so etwas wie romantische Gefühle für sie entwickelt haben? Der Typ, der an einem Tag im Durchschnitt drei Frauen flachlegte und ihr sogar davon erzählt hatte, dass er niemals öfters als einmal mit einer Frau schlief, weil das einfach zu seinen Grundsätzen gehörte. Sie fühlte sich unbehaglich. Noch vor fünfzehn Minuten hatte sie dieses Kribbeln im Bauch gespürt, als Mark ihre eine gute Nacht gewünscht hatte, und als sie Gloria simste, dass er sie geküsst hatte, war sie immer noch euphorisch gewesen. Doch jetzt erkannte sie, dass Mark sich vermutlich genauso in die Reihe der Frösche eingliedern würde, wie es all die Typen zuvor bereits getan hatten. Wahrscheinlich sogar als Froschkönig. Mark Turner war nicht der Typ, der eine fixe Beziehung mit einem Mädchen wie Vicky Williams eingehen würde – zumal sie ihm wahrscheinlich um zehn Jahre zu alt und um zehn Kilo zu schwer war.
„ Hey, vielleicht wird deine Hollywoodgeschichte ja doch noch wahr“, sagte Gloria in genau dem Moment, als Vicky bereits wieder mit der kleinen Romanze abgeschlossen hatte. „Stell dir vor, er ändert seine komplette Lebenseinstellung nur für dich. Er lässt all die Frauen sausen, nur für dich. Er macht dir einen romantischen Heiratsantrag, bei dem er auf die Knie fällt und dich unter Tränen bittet, seine Frau zu werden…wie bei...Eiskalte Engel!“
„ Ich denke, ich werd dann mal in die Falle gehen und du solltest nicht so viele Schnulzen im Fernsehen gucken“, meinte Vicky, ohne auf Glorias Gesülze einzugehen. „Wahrscheinlich ist das alles nur, weil wir hier in einer fremden Umgebung sind. Denkst du wirklich, er würde sich in Manhattan mir gegenüber so verhalten? Wo er an jeder Straßenecke zwanzig Frauen hat? Kann ich mir nicht vorstellen. Ich sollte zusehen, dass ich Abstand von der ganzen Sache gewinne.“
„ Alles klar bei dir“, fragte Gloria und hatte den leicht angeschlagenen Unterton in Vickys Stimme erkannt.
„ Nein – ich meine…ja…ich denke, ich sollte versuchen, mit ihm auf Distanz zu bleiben. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das mit ihm und mir ein Happy End nehmen würde. Vermutlich sitze ich in zwei Wochen todtraurig in meinem Appartement und stopfe Unmengen von Häagen Dasz in mich rein!“
Nachdem sie sich von Gloria verabschiedet hatte, legte Vicky ihr Handy auf das Nachttischchen neben ihrem Bett. Die Tür zum Balkon war geöffnet und sie hörte aus Marks Zimmer Fernsehgeräusche. Sie glitt zwischen Laken und Decke, machte ihr Nachtlicht aus und seufzte, dachte an die vergangenen beiden Nächte, die sie in Marks Armen verbracht hatte und stellte fest, dass sie seine Nähe vermisste. Bald darauf schlief sie ein.
20
Der Wecker klingelte um halb acht. Vicky erinnerte sich nicht, wann sie das letzte mal so lange geschlafen hatte doch sie hatte sich vorgenommen, wenigstens in den paar Tagen, die sie bei ihrer Familie verbrachte, auszuschlafen. Nur an diesem
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