Ein moerderisches Geschaeft
Toilettentisch aufgereiht hatte. Damit könnte man eine kleine Apotheke gründen.
»Haben Sie daran gedacht, Ihre Medikamente einzupacken?«, fragte Carrie.
»Selbstverständlich.«
»Ich könnte ein paar von den Fläschchen in meine Jackentasche stecken.«
»Nicht nötig«, versicherte Anne.
»Was ist mit den Briefen?«, erkundigte sich Sara bei Carrie. »Haben Sie sie dabei?«
»Ja.«
»Okay, dann mal los«, sagte Sara.
Sie hatten bereits beschlossen, dass sich Sara als Erste abseilen sollte. Ein Ende des Seils war am Küchentisch befestigt, der nicht durch die Tür zur Speisekammer passte und sich dort verkeilen würde, aber Carrie und Anne wollten es trotzdem festhalten, wenn Sara sich an der Hauswand herunterließ. Anne hatte alle fünfundzwanzig Zentimeter Knoten in die Leintücher gemacht, damit sie einen besseren Griff hatten.
Carrie sollte als Zweite hinaus, weil Anne meinte, dass sie, die am leichtesten war, größere Chancen hatte, ohne Hilfe nach unten zu kommen, falls sich das Seil vom Tischbein löste.
Eigentlich wollte Carrie die Letzte sein, aber das hatte Anne kategorisch abgelehnt. »Wenn das Seil nicht hält oder wenn ich falle, dann können Sie und Sara mich vielleicht auffangen, aber ich würde nicht viel ausrichten, wenn Sie oder Sara fallen. Ich muss die Letzte sein.«
»O Gott, denken Sie gar nichts ans Misslingen. Sie haben ein gutes, festes Seil geknüpft, Anne – es hält ganz bestimmt.«
»Ja, es wird alles gut gehen.«
Anne gab sich übertrieben fröhlich. War sie wieder kurz davor durchzudrehen oder lag das an den Schmerztabletten?
Sara ging voran in die Speisekammer. Carrie und Anne sahen zu, wie sie das lose Ende des Seils in die Hand nahm und es sich um die Taille band. »Ich hoffe, es ist lang genug.«
Sara kniete sich hin und rutschte zum Loch. »Legen Sie sich auf den Bauch und schieben Sie sich langsam mit den Füßen zuerst über die Kante.«
»Haben Sie die Taschenlampe bei sich?«, fragte Anne.
»Ja.«
Carrie setzte sich auf den Boden und stemmte sich mit beiden Füßen gegen die Wand. Anne positionierte sich hinter ihr, um ihr zu helfen, das Seil festzuhalten. Gerade als Carrie dachte, Sara würde nie den Boden erreichen, gab das Seil nach. Carrie fiel nach hinten auf Anne. Als sie sich von dem Schreck erholt hatte, schöpfte sie Atem und sagte bange: »Ich schätze, jetzt bin ich dran.«
Sie rollte sich auf den Bauch und robbte rückwärts zu dem Loch.
»Warten Sie«, flüsterte Anne. Sie schob einen Umschlag in Carries Jackentasche und zog den Reißverschluss zu.
»Sie sind die Stärkste von uns allen. Wenn Sara und ich es nicht schaffen sollten, dann stellen Sie sicher …«
»Ja?«, drängte Carrie. »Was?«
»Kümmern Sie sich einfach um alles. Jetzt gehen Sie.«
Carrie vergeudete keine Zeit mehr. Sobald sie weit genug vom Haus weg waren, würde sie schon herausfinden, was Anne meinte.
Ihre Hände waren wund und blutig, und sie hatte zu viel Angst, um zu jammern. Sie ließ sich langsam an der Hauswand herunter. Anne versuchte zu helfen, aber als sie das Seil straffen wollte, wäre sie beinahe mit dem Kopf voran durch das Loch gefallen.
Carrie erreichte den Boden.
Das Seil gab nach und Anne fiel zurück. Sie richtete sich rasch auf und spähte durch das Loch hinunter. Sie war auf allen vieren und lauschte auf die leisen Rufe von Sara und Carrie.
Dann zog sie das Seil nach oben und wich von der Öffnung zurück. »Drei blinde Mäuschen, drei blinde Mäuschen« , sang sie. »Sieh, wie sie rennen, sieh, wie sie rennen …«
Sie stand auf, wischte sich den Staub von der geborgten Trainingshose und ging in die Küche. »Sieh, wie sie rennen. « Komisch, dass ihr gerade diese Melodie in den Sinn gekommen war. Sie ging ihr nicht mehr aus dem Kopf. Sie und Eric waren übereingekommen, keine Kinder zu haben; dennoch sang sie jetzt alberne Kinderreime. Ihr Vater hatte ihr dieses Lied immer vorgesungen. Wie ging es weiter? Hieß es »Sie jagen alle die Bauersfrau« oder »Sie fliehen alle vor der Bauersfrau«? Warum fiel ihr der Rest des Liedes nicht mehr ein?
»Drei blinde Mäuschen« , sang sie leise, als sie sich hinkniete und versuchte, die Knoten des Seils zu lösen. Als ihr klar wurde, dass sie sich dabei die Nägel abbrechen könnte, erhob sie sich und ging in die Küche, um mit der Schere, die Carrie aus ihrem Zimmer heruntergebracht hatte, das Seil vom Tischbein zu schneiden.
»Drei blinde Mäuschen. « Sie stand wieder auf und trank einen
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