Ein moerderisches Geschaeft
Fingerspitzen fühlte, wimmerte sie leise. Verflucht, da lag wirklich eine Schere.
Es musste eine vernünftige Erklärung geben. Vielleicht hatte die Schere schon am Abend hier gelegen. Sie hatte sie nur nicht bewusst gesehen, aber ihr Unterbewusstsein hatte sie wahrgenommen. Diese Theorie war unwahrscheinlich, aber Carrie wollte daran glauben. Erst dann fiel ihr das gelbe Kuvert auf, das an der Lampe lehnte. Ihr Name war in schöner Handschrift darauf geschrieben. Dieser Umschlag war am Abend noch nicht hier gewesen, das wusste sie mit absoluter Sicherheit. Ihre Hand zitterte, als sie das Kuvert nahm und öffnete. Das Briefpapier war edel, aber es war weder mit dem Logo vom Utopia bedruckt noch mit einem Absender versehen.
»Was, zum Teufel, geht hier vor?«, flüsterte sie. Dann nahm sie die beiden Bögen aus dem Umschlag, faltete sie auseinander und las:
Carrie, hast du um mich getrauert, als du vor vielen Jahren von meinem Unfalltod hörtest? Oder war dir eher nach Feiern zumute? Du hast dich mir immer überlegen gefühlt. Ich war in deinen Augen nur ein dummes, albernes Ding. Weißt du noch, dass du mich immer so genannt hast? Ich habe es nie vergessen. Dein größtes Problem war, dass du mich immer unterschätzt hast. Immer. Sicherlich erinnerst du dich, wie sehr es mir am Herzen lag, mit allen quitt zu sein und jede offene Rechnung zu begleichen. Der Tag der Rache ist endlich gekommen, und du bist jetzt genau dort, wo ich dich haben will.
Das Haus ist vollkommen verkabelt, Carrie, und es gibt keinen Weg hinaus. Wenn du ein Fenster oder eine Tür nach draußen öffnest … Bumm! Ein kleiner Knopfdruck und das ganze Haus fliegt in die Luft. Fragst du dich jetzt, wie lange ich warten werde, bis ich auf den Knopf drücke?
Tick. Tick. Tick. Hast du Angst? Soll ich dir verraten, welche Pläne ich geschmiedet habe? Ich war übrigens in der Lage, weil ich den Mann meiner Träume fand. Er liebt mich natürlich, aber das tun sie schließlich alle, oder? Dieser Mann jedoch ist etwas ganz Besonderes: ein Perfektionist. Sein Name ist Monk, und seitdem ich ihn das erste Mal verführte, ist er zu allem bereit. Er ist ein Profikiller, mein Killer. Er liest mir jeden Wunsch von den Augen ab und tut alles, worum ich ihn bitte; als Gegenleistung habe ich ihm beigebracht, Spaß bei seinem Job zu haben. Er ist sehr stolz auf das, was er tut, und er geht sorgfältig und methodisch vor. Er lässt nicht zu, dass ich irgendwelche Fehler mache. In der Vergangenheit hat er immer nur einen Auftrag nach dem anderen angenommen, aber ich konnte ihn dazu überreden, Größeres und Besseres zu vollbringen. Er war bereits angeheuert worden, das Haus in die Luft zu sprengen. Es kostete nur wenige Vorbereitungen und eine gute Planung, bei diesem Unternehmen auch noch ein paar unbedeutende Frauen zu töten.
Du weißt, dass du sterben musst. Du hast mir meinen Traum genommen und weggegeben. Du hast mir mein Kind gestohlen und es gegen mich aufgehetzt. Das sind nur zwei von vielen Gründen, Carrie, aber in Wahrheit ist deine größte Sünde die, dass du mich unglücklich gemacht hast.
Jilly
P. S.: Mach dir keine Sorgen um Avery. Ich werde mich auch um sie kümmern.
Carrie schrie auf und fing an zu schluchzen. Sie war außer sich vor Angst. Zitternd stand sie auf und lief zu der Schiebetür aus Glas. Sie krallte die Finger in die Vorhänge und riss sie ganz auseinander, um hinausschauen zu können. Sie entdeckte sofort die Sprengkörper mit den roten blinkenden Lichtern und kreischte: »O Gott, o Gott …«
Sie lief zur Tür, stolperte über ihre Schuhe und stieß sich den rechten Fuß am Bettpfosten. Schmerz durchzuckte ihre Wade. Fluchend lief sie weiter. Auf dem Flur blieb sie stehen und rief: »Ist jemand im Haus?«
Nichts. Kein Laut. Zu spät begriff sie, dass sie sich die Schere hätte schnappen müssen, um sie als Waffe benutzen zu können, falls ihr jemand auflauerte. Aber Jilly hatte diese Schere in der Hand gehabt, Jilly, die diesen fürchterlichen, schadenfrohen Brief geschrieben hatte. Jilly, die Psychopathin.
Gott helfe uns, flehte sie innerlich.
Sie drückte sich an die Wand und tastete sich bis zur Wendeltreppe vor. Sie hatte Angst davor, einen Blick nach unten zu werfen, aber auch davor, es nicht zu tun. Es kostete sie eine gute Minute, all ihren Mut zusammenzunehmen. Grenzenlose Erleichterung durchflutete sie, weil niemand zu ihr heraufschaute. Vielleicht waren sie, Sara und Anne ganz allein im Haus. Nein, es war
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