Ein moerderisches Geschaeft
nickte. »Gut. Wir treffen uns dann unten im Wohnzimmer.«
Sie riss den Umschlag auf, als Carrie aus dem Zimmer lief. Annes Suite befand sich am anderen Ende des Flurs. Sie rannte darauf zu.
Anne war nicht in ihrem Bett. Carrie hörte, dass sie im Bad war. Sie übergab sich. Carrie ging zur Tür und klopfte. »Anne, brauchen Sie Hilfe?«
Keine Antwort. Carrie versuchte es wieder und wieder. Sie konnte nicht sagen, wie lange sie vor dem Badezimmer stand und an die Tür hämmerte. Endlich kam Anne zum Vorschein.
Die schmächtige Frau war ganz grün im Gesicht. »Was wollen Sie?«, fragte sie. Sie schwankte leicht.
»Kommen Sie, ich helfe Ihnen«, sagte Carrie. Sie legte den Arm um Annes Taille – die arme Frau war dünn wie ein Bleistift – und führte sie zum Bett.
»Sie sollten sich von mir fern halten«, hauchte Anne mit matter Stimme. »Ich habe mir offenbar einen Virus eingefangen. Jetzt haben Sie sich vielleicht angesteckt.«
»Nein«, gab Carrie zurück. »Sie haben keinen Virus.« Sie trug Anne fast quer durchs Zimmer. Als sie das Bett erreichten, zog Carrie die Decke zurück und half Anne, sich hinzusetzen.
»Ich war die halbe Nacht wach, weil mir so schlecht war«, erklärte Anne. »Es muss eine dieser Vierundzwanzig-Stunden-Krankheiten sein.«
Carrie sah keinen Brief auf Annes Nachtkästchen. »Sie waren nachts wach?«, fragte sie, als sich Anne mit ihrer Hilfe hinlegte. »Haben Sie jemanden gehört oder gesehen?«
»Nein«, antwortete Anne. »Lassen Sie mich los. Ich möchte nicht liegen.« Sie richtete die Kissen und stützte sich auf einen Ellbogen.
»Wir alle wurden betäubt«, teilte Carrie ihr mit. »Das Zeug muss im Essen gewesen sein.«
»Das ist lächerlich. Das Essen war lediglich verdorben. Ich werde denen schon gründlich Bescheid sagen, wenn ich im Hotel bin. Ich könnte sie verklagen«, sagte sie. »Wahrscheinlich mache ich das auch. Erst die Unannehmlichkeiten am Flughafen und jetzt die Lebensmittelvergiftung. Das ist schlicht unverzeihlich.«
Carrie widersprach nicht, sondern berichtete von den Briefen, die Sara und sie bekommen hatten.
»Sie müssen unbedingt wissen, dass an jedem Fenster und an allen Türen, die ins Freie führen, Sprengkörper angebracht sind. Wir dürfen weder ein Fenster noch eine Tür aufmachen, sonst explodiert hier alles.«
Anne sah sie an, als hätte sie eine Wahnsinnige vor sich. »Du lieber Himmel, was ist los mit Ihnen? Warum wollen Sie mir einen solchen Schrecken einjagen?«
»Das will ich wirklich nicht. Ich sage nur die Wahrheit. Haben Sie ein Kuvert gefunden, auf dem Ihr Name steht?«
»Nein.«
Die Antwort kam zu schnell und war zu schroff. Carrie wusste, dass sie log, aber sie konnte beim besten Willen nicht verstehen, warum.
»Anne, wir sind alle in derselben misslichen Lage. Sie müssen die Wahrheit sagen.«
Entrüstet gab Anne zurück: »Ich sage die Wahrheit. Jetzt gehen Sie und lassen Sie mich allein.«
»Nein«, erwiderte Carrie. »Ich weiß nicht, wie viel Zeit uns noch bleibt, und wir müssen einen Weg ins Freie finden, ohne die Fangdrähte, mit denen die Sprengladungen verbunden sind, zu berühren.«
Annes verkniffenes Gesicht lief hochrot an. »Ich bitte Sie zu gehen.«
Carrie versuchte eine andere Taktik. »Sara und ich … wir brauchen Sie, Anne. Wir müssen uns zusammensetzen und herausfinden, was hier vor sich geht.«
Anne funkelte sie an. »Warum brauchen Sie mich dazu?«
»Weil Sie klug sind.«
»Das können Sie gar nicht wissen.«
»Sie leiten ein eigenes Unternehmen, oder nicht? Das haben Sie uns zumindest erzählt.«
Anne reckte das Kinn ein wenig vor und strich die Decke über ihrem flachen Bauch glatt. »Ich habe praktisch mit Nichts angefangen und mein kleines Hobby – so hat mein Vater mein Schiffsunternehmen genannt – zu einem Vierzig-Millionen-Betrieb gemacht. In diesem Jahr wird mein Gewinn viermal so hoch sein, wie es mir meine Wirtschaftsberater vorausgesagt haben.«
Carrie hatte keine Geduld für solche Gespräche. Es war unerhört, dass sie das Ego dieser törichten Frau streicheln musste, nur um sie zur Mithilfe zu bewegen. Begriff Anne nicht, in welcher Situation sie alle steckten?
Mit Mühe gelang es Carrie, sich zu beherrschen. »Meinen Sie, Sie sind in der Lage, ins Wohnzimmer zu kommen? Wir sollten zu dritt über unsere Lage sprechen. Wir brauchen Ihren … Rat bei der Entscheidung, wie wir vorgehen sollen.«
Anne neigte den Kopf zur Seite und sah Carrie lange an, ohne ein Wort zu sagen.
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