Ein mörderisches Komplott (German Edition)
Jetzt fächerte sie mit der Visitenkarte direkt vor Henrys Gesicht
herum und frohlockte: »Dann erfährt vielleicht schon morgen die Presse, dass
der gute Staatsanwalt Henry Forster nicht nur eine dicke Nase hat, sondern auch
einen dicken, langen ...«
Henry war bereits verärgert, als Betty ihn mit der
Ankündigung empfing, ihren Tarif leider erhöhen zu müssen. » Na, so einer wie
du hat es doch, mein Süßer! «, hatte ihn Betty mit schmollendem Mund angebettelt.
» Dafür darfst du ab jetzt auch eine Viertelstunde länger bleiben. «
Natürlich konnte sie nicht wissen, wie knapp bei Kasse er seit der Scheidung
war, denn der monatliche Unterhalt für Lucinda und seine beiden Söhne ließ ihm
nur wenig Spielraum für derartige Vergnügen. Als Betty sich dann noch die
Visitenkarte aus seinem Jackett angelte und sogar damit drohte, ihn öffentlich
zu blamieren, überwältigte ihn wieder einmal der Jähzorn. Noch ehe Betty den
Satz zu Ende sprechen konnte, hob Henry die auf dem Boden liegende
neunschwänzige Katze auf, mit der Betty ihn noch kurz zuvor in höchste Ekstase
versetzt hatte. Mit der rechten Hand umfasste er die neun ledernen Zopfriemen
und drosch mit dem Peitschenknauf in blinder Wut so lange auf ihren Kopf ein, bis
sie sich nicht mehr rührte.
Als Henry wieder bei klarem Verstand war, sah er auf den
regungslosen Körper Bettys mit von Schlägen entstelltem, blutunterlaufenem
Gesicht. Er hob ein Lid an, aber das Auge darunter blickte nur starr ins Leere.
Auch ein Puls war nicht mehr zu fühlen. Voll Entsetzen wurde ihm bewusst, dass
er, der renommierte Staatsanwalt, jetzt derselben Kategorie brutaler Mörder
angehörte, für die er als Vertreter der Anklage stets eine lebenslange
Haftstrafe forderte. Das Gleiche durfte ihm jetzt nicht widerfahren. Hektisch
öffnete er den auf dem Regal liegenden Umschlag und entfaltete das Schreiben
mit dem vertrauten Briefkopf seiner Dienstelle. Darunter erkannte er seine
eigene Unterschrift. Tatsächlich, die Räumungsklage hatte er selber aufgrund
eines richterlichen Erlasses unterzeichnet. Aber täglich setzte er seinen Namen
unter unzählige Schriftstücke, die ihm von seinen Kanzleiangestellten vorgelegt
wurden. Niemals hätte er es für möglich gehalten, dass ein von ihm
unterschriebener Brief ausgerechnet an die Frau gerichtet wurde, bei der
er sich zu vergnügen pflegte und die er soeben umbrachte.
Da Betty Findlay nach Zustellung der Räumungsklage nichts
mehr von sich hören ließ und sich trotz mehrfachem Klingeln nichts rührte,
öffnete zwei Tage später ein Schlüsseldienst in Beisein zweier Polizisten und
des Vermieters die Wohnungstür. Sie waren entsetzt, als sie den übel
zugerichteten Leichnam Bettys vorfanden. Noch am selben Tag wurde eine
Sonderkommission zur Aufklärung dieses schrecklichen Verbrechens eingerichtet.
Im Schreibtisch der Ermordeten entdeckte Police Sergeant Bainbridge,
der gemeinsam mit Spezialisten der Spurensicherung die Wohnung nach
Tathinweisen durchsuchte, einen Notizkalender. Dieser enthielt zwar keinerlei
Namen, dafür aber genaue Personenbeschreibungen über Bettys Freier, eine – wie
sich herausstellen sollte – weise Eingebung der Domina. Er zeigte seinem
Kollegen, Police Constable Springfield, den Eintrag Bettys zum vermutlichen Tag
ihrer Ermordung:
Sa. 6. Mai - 10.30 a.m.: Chunky Nose
Im Anhang des Büchleins hatte Betty detaillierte
Personenbeschreibungen zu ihren Stammkunden eingetragen:
Mr
Chunky Nose: Hat dicke, klobige
Nase und Glatze. Rote Narbe quer übers Kinn, durch Bart verdeckt. Dürrer Typ.
Zahlt gut. Starker Raucher, Kleidung stinkt. Trägt auf dem Revers seines
Blazers Abzeichen mit den Buchstaben SCE auf einem liegenden Paragrafensymbol.
Keine Ahnung, was das zu bedeuten hat.
Es dauerte nicht lange, da geriet Staatsanwalt Henry
Forster überraschend ins Visier der Kriminalpolizei, denn Bettys
Personenbeschreibung traf haargenau auf ihn zu. Das Logo SCE auf
dem von Betty geschilderten Abzeichen war das Symbol der juristischen
Studentenverbindung › S tudent’s C lub E dinburgh‹, der
Forster seit seiner Studienzeit angehört. An verschiedenen Stellen in der
Wohnung hatte man seine Fingerabdrücke entdeckt, außerdem enthielt der
Peitschenknauf seine DNA-Spuren.
Die Beweislage schien absolut klar zu sein. Gegen Henry
Forster wurde Anklage wegen heimtückischen Mordes erhoben und schon bald fand
der Prozess vor dem eigens dafür angereisten, aus dem
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