Ein Moment fürs Leben. Roman
Freunde, all so was.«
»Das geht nicht.«
»Warum?«
»Ich kann dich nicht einfach mit zu meinen Eltern nehmen. Oder wenn ich mit meinen Freunden ausgehe. Die denken ja, ich bin verrückt.«
»Du hast Angst, was sie dann über dich erfahren könnten.«
»Wenn mein Leben – also du – neben mir am Tisch sitzt, dann werden sie so ziemlich alles über mich erfahren.«
»Warum macht dir das solche Angst?«
»Weil es meine Privatangelegenheit ist. Du bist meine Privatangelegenheit. Niemand nimmt sein Leben mit zu einer Dinnerparty.«
»Ich denke, du wirst merken, dass die meisten Menschen, die du liebst, genau das tun. Aber darum geht es nicht, es geht darum, dass wir anfangen, mehr zusammen zu machen.«
»Das ist okay, aber nicht auch noch mit meinen Freunden und meiner Familie. Die möchte ich lieber getrennt halten.«
»Aber das tust du doch die ganze Zeit. Keiner von denen weiß wirklich etwas über dich.«
»Auf gar keinen Fall«, beharrte ich.
Er schwieg.
»Du wirst trotzdem mitkommen, stimmt’s?«, fragte ich.
Er nickte.
»Ich lüge nicht alle Leute an«, seufzte ich.
»Ich weiß. Die falsche Verbindung.«
»Siehst du? Auch ganz schön seltsam.«
»Eigentlich nicht. Manchmal sind die falschen Verbindungen genau die richtigen«, grinste er.
Kapitel 12
Mein Leben wollte unsere gemeinsame Reise damit beginnen, dass er sich anschaute, wo ich wohnte – er hatte wohl das Gefühl, dass ihm das die Tür zu allen meinen Geheimnissen öffnen würde. Ich dagegen fand, dass sich damit nur die Tür zu einer ungepflegten Einzimmerwohnung und einem ekligen Schwall Fischgeruch ins Gesicht öffnen würde. Und bei solchen Metaphern fingen unsere Meinungsverschiedenheiten erst an. Wir debattierten gerade darüber, als Claire aus dem Krankenhaus zurückkam. Mit besorgtem Gesicht musterte sie den Fremden und mich auf dem Flur vor ihrer Wohnung. Ich stand sofort auf.
»Ich hab ihn nicht in die Wohnung gelassen«, beteuerte ich.
Daraufhin entspannte sich ihr Gesicht etwas. »Sie halten mich bestimmt für unhöflich«, sagte sie zu meinem Leben.
»Nein, ich finde, Sie haben vollkommen recht«, entgegnete er. »Aber ich bin überrascht, dass Sie Lucy reingelassen haben.«
Claire lächelte. »Ich bin sehr dankbar, dass sie mir hilft.«
»Wie geht es Ihrer Mutter?«, fragte er.
Mir war klar, dass er immer noch dabei war, mein Alibi zu überprüfen, aber ich bestand den Test, denn Claires Gesicht sprach Bände. So verzweifelt konnte nur jemand aussehen, der wirklich verzweifelt war.
»Ihr Zustand ist stabil – momentan jedenfalls«, antwortete sie. »Wie geht es Conor?«
»Äh – er schläft.«
»Hat er sein Fläschchen getrunken?«
»Ja.« Ich hatte es in die Spüle geschüttet.
Sie schien sich zu freuen, fummelte in ihrer Tasche nach ihrem Portemonnaie und zog einen Geldschein heraus. »Für Ihre Zeit, und noch mal herzlichen Dank«, sagte sie und streckte ihn mir hin. Ich hätte das Geld gern genommen. Wirklich. Sebastian brauchte so viele Reparaturen, der Teppich war immer noch nicht gereinigt, meine Haare hatten einen Friseurbesuch dringend nötig, ich hätte auch gern einmal wieder etwas anderes als die ewigen Mikrowellengerichte gegessen – aber nein, mein Leben beobachtete mich, also tat ich das Richtige.
»Das kann ich echt nicht annehmen«, stieß ich mit zusammengebissenen Zähnen hervor. »Es war mir ein Vergnügen, ehrlich.«
Dann war der Moment gekommen. Ich steckte den Schlüssel ins Schloss, drehte ihn um und hielt die Tür auf, um mein Leben vorgehen zu lassen. Er sah ganz begeistert aus, was so ungefähr das Gegenteil von dem war, was ich empfand. Ich folgte ihm, schloss die Tür und hatte sofort wieder den abscheulichen Geruch in der Nase. Hoffentlich war er wenigstens so höflich, ihn nicht zu erwähnen. MrPan wachte auf, streckte sich und kam dann gemächlich, mit schwingenden Hüften, auf den Gast zugeschlendert, als wäre er die coolste Katze der Welt. Nachdem er mein Leben betrachtet hatte, strich er ihm mit hochaufgestelltem Schwanz genüsslich um die Beine.
»Du hast eine Katze«, stellte mein Leben fest, ging auf die Knie und streichelte MrPan. Der sonnte sich im Glorienschein seiner Zuwendung.
»Das ist MrPan. MrPan, das ist … wie soll ich dich denn vorstellen?«
»Als dein Leben.«
»Ich kann dich den Leuten doch nicht als mein Leben vorstellen. Nein, wir müssen uns einen Namen für dich ausdenken.«
»Mir egal«, erwiderte er achselzuckend.
»Okay – wie
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