Ein Mord den jeder begeht
seiner eigenen Ausdrucksfähigkeit und der Worte. Er schwieg also, und zwar wie unter einem Zwange, wandte sich ab und ging heim.
Als er Günther am nächsten Tage sagte, daß er seine drei Molche heute wieder in Freiheit zu setzen gedenke, wollte jener unbedingt mitgehen.
»Hast du sie nun genug beobachtet?« fragte Ligharts. Kokosch konnte sich unter dem Worte »beobachtet« nicht viel denken. »Ich will gleich nach Tisch gehen, am frühen Nachmittage.«
»Gut, ich werde mich sputen, um dich abzuholen.«
Aber es wurde doch ein klein wenig später, denn Günther wohnte ja in einem anderen Viertel und mußte die Straßenbahn benutzen. Conrad war unruhig, er hatte den Freund schon im Vorzimmer auf und ab schreitend erwartet. Sie fingen nun die Tiere behutsam aus dem Becken und setzten sie in jenes rote Eimerchen, worin sie einst gekommen waren. Als die drei schwarzen Gesellen in dem wenigen Wasser herumzappelten, erschienen sie Kokosch auffallend groß und dick, und er glaubte sich zu besinnen, daß sie frischgefangen viel schmächtiger gewesen wären. Lighart fand dafür eine natürliche Erklärung, nämlich die, daß es den Tieren in der Freiheit sicherlich nicht möglich gewesen sei, so viele Nahrung zu erbeuten, als sie hier erhalten hätten, daher denn das starke Wachstum begreiflich werde.
Als Günther und Conrad am Tümpel anlangten, liefen überall schon die Jungen herum, und im hohen Grase beim Baume standen die Einmachgläser. Der und jener kam heran, sie blickten in das rote Eimerchen, das Conrad am Henkel trug – und nun gab es aber Geschrei: den Jungen hier schien die ungewöhnliche Größe der Lurche ganz augenfällig zu sein.
»Gebt sie doch gleich herein in die Gläser!« rief einer.
»Natürlich – du willst gleich alle drei haben! Nichts da – !« fuhr ihn sein Nachbar an und stellte sich vor Kokosch.
»Gebt einmal Raum hier«, bemerkte Ligharts ruhig, in seiner genauen Aussprache, »wir wollen zum Wasser.«
Die Jungen standen dicht zusammengedrängt Günther und Conrad gegenüber.
»Was wollt ihr denn beim Wasser machen?« fragte einer, der vor Günther stand.
»Wir gedenken die Tiere in Freiheit zu setzen«, antwortete Ligharts.
»Warum?!« rief der andere.
»Weil es uns so beliebt«, sagte Günther.
»Weil es uns so beliebt« – äffte ihn der Knabe mit übertriebener Aussprache nach. Gleich darauf sah Conrad, der mit seinem Eimerchen seitwärts getreten war, etwas Helles und Rasches in der Luft. Günther hatte seinem Gegenüber mit einer wahrhaft schrecklichen Roheit die Faust mitten ins Gesicht geschlagen. Der Vorgang wiederholte sich sogleich noch einmal, da ein anderer Junge nun seinerseits Ligharts angriff. Die beiden Geschlagenen bluteten in Bächlein aus den Nasen, sprangen davon und schimpften wild herüber, wobei sie, wie es denn für solche Burschen sehr bezeichnend ist, auch gleich mit der Polizei zu drohen wußten. Kokosch war völlig verdutzt. Er hatte kaum Zeit gehabt, das Eimerchen niederzusetzen, so schnell ging alles. Jedoch Ligharts bedurfte gar keines Beistandes. Die übrigen Jungen waren zurückgetreten und schienen keineswegs gesonnen, sich für ihre Kameraden – die inzwischen verschwunden waren – in den Handel zu mischen. »Wo wollen Sie die Tiere freilassen?« fragte jetzt einer von ihnen Günther, höflich und mit etwas gezwungener Aussprache. »Drüben, wo es tief ist«, sagte Ligharts, wandte sich zu Kokosch, und sie gingen hinüber, in einer kleinen Entfernung von den anderen gefolgt.
»Geh allein«, sagte Günther zu Conrad und blieb oben stehen, während Kokosch sich das steile Ufer hinabbemühte; Günther reichte ihm den Eimer nach und wandte sich gleich wieder den herankommenden Jungen zu. Jedoch schien auch Kokosch das Ausgesetzte seiner jetzigen Lage zu spüren, an der jähen Uferböschung, die ihn nötigte, sich mit der Hand an einem Baume festzuhalten. Er kippte behutsam aber rasch das Eimerchen knapp über dem Wasserspiegel, sah die Tierchen noch schwänzelnd verschwinden, und war nun rasch wieder oben bei Günther.
»Womit habt ihr sie denn gefüttert?« fragte einer von den Jungen, die jetzt den beiden Freunden wieder in einem Rudel gegenüberstanden.
»Mit Flie-gen«, antwortete Ligharts, die Silben betonend und trennend. Er sah den anderen durch einen Augenblick ruhig an, wandte sich ab und ging mit Kokosch davon.
»Warum sagtest du gerade: mit Fliegen?« frug Conrad nach einer Weile.
»Das weiß ich nicht – es fiel mir just so
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