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Ein Mord den jeder begeht

Ein Mord den jeder begeht

Titel: Ein Mord den jeder begeht Kostenlos Bücher Online Lesen
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dem Schulbeginne gleichsam in der Luft zu liegen schien, ließ nicht lange auf sich warten. Es entlud sich: zunächst in beängstigender Weise.
    Nach dem Herbste kam eine helle klare Zeit, draußen lag dann und wann ein wenig Schnee. Kokosch stand am Fenster, sah hinunter auf die Straße, die Holzstapel, das Geländer, den grau und kalt glitzernden Kanal. Hinter sich fühlte et das seltsam erweiterte Zimmer. Die Entfernung etwa von hier bis zu der Ecke beim Kasten, wo Rapier und Fechtmaske hingen, war spürbar größer geworden. Es roch auch anders und frisch.
    Und jetzt erst kam Kokosch auf eine sehr einfache Erklärung dieses letzten Umstandes: seine Eltern hatten während des Sommers das Vorzimmer neu streichen lassen.
    Tiefer verwundert, als aus solchem Anlasse schlechthin verständlich wäre, schritt er rasch hinaus. Ja, von da kam’s, der saubere Geruch der trockenen Farben, der eine Ahnung von Ferne oder von Neuem vermittelte. Er stand da, hatte das Licht nicht eingeschaltet, sah im Dämmer an dem Schirmständer vorbei, an den dunkel hangenden Mänteln. Was ihn aber erstaunen machte, war das langsame und so späte Eintreffen eben jener natürlichen Erklärung.
    In dieser Zeit war die Wohnung still und leer, außer ihm niemand daheim, auch das Mädchen schien fortgegangen.
    Kokosch zog seine blaue Flauschjacke an, schaltete alle Lichter aus, klappte sorgfältig die Türe zu – auf der Treppe berührte ihn seltsam die Vorstellung, ganz allein in diesem Hause zu wohnen. Ja, der Geruch jener frischen Farben im Vorzimmer wies zu – Neuem. Nun spürte er’s deutlich.
    Die Straßen hüllten sich bläulich ein, in erster Dämmerung, aus welcher verstärkt der Lärm zu dringen schien. Kokosch ging über die Brücke. Der Glasermeister war das Ziel. Dort befand sich schon der ehemalige Palast der Molche, den er nun gegen anderes einzutauschen gedachte, gegen Kolben und gläserne Retorten für gewisse chemisch-physikalische Versuche. Es gab da ein Durchführungsprogramm. Als Conrad das Becken der Lurche hingebracht hatte, war der Meister nicht daheim gewesen, nur seine Frau, die nicht zu entscheiden vermochte, ob man das große Glasgefäß beim nunmehrigen Ankauf der kleineren in Abrechnung bringen könne.
    Aber der Meister wollte das selbstverständlich gerne tun, mit einem geringfügigen Verlust für Conrad allerdings. Dieser war’s zufrieden. Wieder trug er seine ganze Barschaft bei sich. Zudem ein Blatt Papier, auf welchem der wohlerwogene Bedarf vermerkt war. Geschäftsdispositionen und ihre Durchführung. Er wollte nur einzelne und bestimmte Versuche vornehmen. Diese Sache sollte nicht uferlos werden, sollte keine Folgen haben.
    »Es dürfen keine Molche werden« – so hatte er wörtlich gedacht.
    Nun aber begann das Wählen. Die Dinge kamen aus Holzwolle und Papier etwas staubig, aber doch glänzend zum Vorschein. Der umständliche Meister berechnete den Preis jedes Stückes nach dem Gewicht, welches in Gramm darauf vermerkt war. Dieses Wort »Gramm« pflegte er mit besonderem Nachdrucke auszusprechen. Conrad hielt wägend und vorsichtig Kolben, Glasrohre und herrliche langschnäblige Retorten in der Hand, wie sie ansonst nur im physikalischen Lehrsaal der Schule zu sehen waren. Das Handwerkszeug war’s, das den Gegenstand anziehend machte. Die Wahl fiel schwer. Conrad verliebte sich in all diese Gefäße, und bei den Probiergläsern hätte er am liebsten das ganze Gestellchen voll gekauft; es war mit Löchern versehen, wie das Eierbrett daheim in der Speisekammer seiner Mutter.
    Nun, er geriet in einige Aufregung, aber am Ende wurde doch alles in ein ausgewogenes Gleichgewicht gesetzt und drei sozusagen auseinanderstrebende Gesichtspunkte unter einen Hut gebracht: nämlich der planmäßige Bedarf, die vorhandenen Muster und Ausführungen, und nicht zuletzt der Stand der Barschaft. Die erreichte Lösung war sogar beglückend. Denn auch hier wieder waren die Preise niedriger als Kokoschs Voranschlag, so daß die große Retorte mit eingeschliffenem Glasstöpsel statt einer weniger geeigneten kleinen, ohne. Stöpsel, erworben werden konnte; zudem zehn Probiergläser. Drei waren ursprünglich in Aussicht genommen. Aber diese Gefäße hatten es Conrad nun einmal angetan. Der Meister hatte geäußert, daß man davon besser mehr hätte. Der aufgewendete Betrag überstieg den seinerzeit für den Molchpalast angelegten nur unbedeutend, dieser freilich wurde außerdem mit in den Kauf gegeben.
    Es schienen im übrigen

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