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Ein Mord den jeder begeht

Ein Mord den jeder begeht

Titel: Ein Mord den jeder begeht Kostenlos Bücher Online Lesen
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jetzt die Schubert zum Bahnhofshotel, lassen dort Ihre Rechnung bezahlen und das Gepäck holen.«
    Er hatte Flaschen und Syphons im Arm und setzte alles auf ein kleines Tischchen neben der Ottomane, darauf die Kissen zerstreut und unordentlich herumlagen.
    »Was wollen Sie?« fragte er Conrad, und da dieser, der kaum jemals etwas trank, nicht recht Bescheid wußte, bemerkte er, »nehmen Sie Gin, ohnehin das vernünftigste Getränk«, und füllte für Castiletz ein flaches bläuliches Glas.
    »Na also«, sagte Herr von Hohenlocher und trank ihm zu, »das Wichtigste: daß man ein Heim habe.«
    18
    Die Schubert wurde weggeschickt, und Herr von Hohenlocher langte von der Ottomane zum Telephon, um Conrad mit dem Bahnhofshotel zu verbinden.
    »Herr Geheimrat Veik«, sagte Castiletz, nach dem Auflegen des Hörers, »hat Ihnen, Herr von Hohenlocher, schon früher einmal von mir gesprochen, wenn ich nicht irre?«
    »Ja, aber nichts von Belang, oder was Sie interessieren könnte«, antwortete der Hausherr mit nachlässiger Offenheit, und in diesem Augenblick registrierte ein gutbürgerlicher, kluger und uneitler Instinkt in Castiletz zum ersten Male die Überlegenheit seines Gegenüber, ganz abgesehen vom großen Unterschied der Jahre. »Es wurde nur erwähnt, daß er einen neuen Volontär für seine Quetsche kriegen würde, den Sohn eines Geschäftsfreundes. Wann müssen Sie denn morgens mit der Weberei anfangen, nebenbei bemerkt!?«
    »Sieben Uhr.«
    »Also kurz nach Mitternacht. Bin neugierig, ob Sie’s bis zum Generaldirektor bringen werden.«
    »Kaum«, sagte Castiletz lachend. »Ich wär’s zufrieden, wenn ich auf Grund meiner Kenntnisse irgendwo und irgendwie einmal anständig Unterkommen könnte.«
    »Na – die Lage seh’ ich anders«, sagte von Hohenlocher nach einigem Schweigen und warf seine Zigarette weg. »Erstens nicht: irgendwo – sondern hier. Zweitens nicht: irgendwie – sondern totaliter, und mit Pauken und Trompeten. Im übrigen: Sie gehen doch nicht in die Industrie, um etwa nach fünfundzwanzigjähriger oder dreißigjähriger Pflichterfüllung als Oberregierungsrat in den Ruhestand zu treten. Derartiges überläßt man Leuten wie mir. Hier handelt sich’s denn doch um was anderes.«
    Er blickte Conrad durch die halbgeschlossenen Lider an. Was er sagte, war ganz beiläufig im Ton, als spreche er von gänzlich entfernten Dingen: und dabei doch genau und bestimmt, ja von einer – irgendwo im Hintergrunde lauernden – sozusagen erbarmungslosen Bestimmtheit.
    »Und um was würde es sich dabei eigentlich handeln?« fragte Castiletz bescheiden, der zwar seinerzeit den Bildungsverein für Handelsschüler und kaufmännische Angestellte des Abends nicht selten geschwänzt hatte (vielleicht erinnert man sich noch, weshalb), jedoch hier sogleich bereit war, etwas zu lernen.
    »Um die Macht«, sagte Herr von Hohenlocher und gähnte ein wenig. »Mir ist sie gleichgültig und könnte mich nie locken. Ich stelle es lediglich fest.«
    »Ich folgte dem Wunsche meines Vaters«, entgegnete Conrad, gleichsam auf dem Rückzuge, »und sicher war es so am besten.«
    »Zweifellos«, sagte Herr von Hohenlocher.
    Mit ihm konnte man schwerlich eins oder uneins werden. Er hielt dem anderen die eigene Meinung mitunter ungeniert und offen entgegen, und doch immer ganz beiläufig; und er zog sich damit gegebenenfalls wieder zurück, nicht anders, wie wenn jemand die dargebotene Zigarettentasche schließt vor einem, der sich als Nichtraucher bekannt hat. Überhaupt schien von Hohenlocher das Bedürfnis, sich auszusprechen, nicht eigentlich zu empfinden; wenn er redete, war es ungefähr so, wie wenn jemand am Rande eines Blattes Männchen zeichnet; so konnte er auch jeden Augenblick mit dem Sprechen aufhören, einfach deshalb, weil ihm nichts daran lag (wegen der Faulheit?), und er war wohl noch höchst selten jemand ins Wort gefallen. Jetzt schwieg er, griff nach dem elektrischen Taster und schaltete eine kleine bunte Lampe ein, die über dem Lager an der Wand befestigt war; es begann zu dunkeln.
    »In der Familie Veik gibt es hauptsächlich Frauen und alte Männer«, bemerkte Herr von Hohenlocher, nachdem er ein Glas Gin mit Angostura-Bitter gekippt hatte.
    »Aber keine alten Frauen, wie es scheint«, sagte Castiletz rasch, dem diese gelungene Anspielung auf Madame Laurencin Freude machte.
    »Sie meinen die Frau Geheimrat? Ja . . . die andere ist ebenso, auf ihre Art, das heißt jugendlich und schön, zudem den Jahren nach weit

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