Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Mord den jeder begeht

Ein Mord den jeder begeht

Titel: Ein Mord den jeder begeht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren:
Vom Netzwerk:
Eisenmann gezeigt, welcher in den verschiedensten Sprachen fest war: und er beurteilte Conrads Arbeiten als vortrefflich. Jedoch zur weiteren Folge hatten diese Einblicke des Herrn Direktor Eisenmann in Castiletzsche Tätigkeiten, daß der gute Geheimrat seinen Sekretarius verlor, weil er ihn – unter der Wucht Eisenmannscher Vorhaltungen – an diesen und die Gurtweberei abtreten mußte. Und so kam es am Ende zu der früher erwähnten zweiten Schicht, welche sich über die ersten und anfänglichen Eindrücke legte.
    Die Vorhaltungen fanden im kurzen Pelzrock statt, den der Direktor gar nicht abgelegt hatte, nachdem er unten dem Werksauto entstiegen, über die etwas steile Treppe hinauf, durch das Sprechzimmer (mit Raucherapparat und Stechpalme) und das Büro hindurch und schließlich in des Geheimrats Arbeitszimmer hineingedampft war. Hier saß er nun und stemmte die Arme auf die Oberschenkel, hielt den klugen Schwabenkopf etwas schräg, und hatte über der Nasenwurzel eine kleine Quetschfalte stehen, die jeden Widerspruch auszuschließen schien.
    »Verehrter Herr Geheimrat, ich muß bitten. Sie haben mit Herrn Peter Duracher sich geeinigt, dieser hat seine Stellung aufgegeben und wird in vier Wochen hier an dem zweiten Schreibtische sitzen, wo einst Herr Schröder, seligen Angedenkens, saß. Herr Duracher ist überdem noch ein hervorragender Textilchemiker, und Sie denken ja daran, eine eigene Färberei zu bauen. Und überhaupt brauchen Sie jemanden, dem Sie Prokura übertragen können. Ich fordere für mein Teil derartiges nicht. Aber den Volontär muß ich haben. Ich sehe mich veranlaßt, dies unbedingt zu verlangen, besonders nach alledem, was ich hier unten im Werk neulich über jenen in Erfahrung brachte. So wie jetzt ist’s für mich nicht mehr zu schaffen. Und ich will ja obendrein nur einen Mann, der – nichts kostet.«
    »Beim letzteren kann’s allerdings nicht mehr lange bleiben, meines Erachtens«, sagte der alte Veik. »Nun, Nebensache in diesem Falle. Jedoch Sie sollen ihn haben, lieber Direktor, Sie sollen ihn ja haben, wenn Sie mich nur nicht jetzt auf der Stelle zum Gabelfrühstück aufessen, das ist nun alles, was ich noch verlange.« Und er lachte. Wie gewöhnlich.
    Es war eine andere Welt, in welche Conrad dann wenige Tage später kam (dem Vater schrieb er’s gleich). Und, merkwürdig genug, hintennach, und eben von der Gurtweberei aus, entdeckte er in sich eine Art Abneigung gegen die Tuchfabrik, gegen ihre weiche und dumpfe Luft, die eine ganze Tonleiter von Gerüchen enthalten hatte, beim Schweiß – und Fettgeruch der Schaffelle beginnend, die zum Teil hier erst gereinigt wurden – bis dorthin, wo das Gewebe durch die »Schmelze« wieder einen künstlich hergestellten sozusagen animalischen Charakter erhielt. Im vorschreitenden Herstellungswege der Tuche drang gegen das Fettig-Tierische ganz allmählich jene tote Atmosphäre durch, welche man von den Schneiderwerkstätten her kennt. Beim »Wolf« und der Mischanlage – letztere wie ein umgekehrter Vesuv, denn in den Kraterkegel des Wollberges ließ der Exhauster ein unaufhörliches Gestöber von Flocken taumeln – hier also war man noch unvorstellbar weit weg von dem bei hin und her geschossenem Schützen langsam vorrückenden Gewebe. Auch räumlich. Dazwischen lagen Säle nach Sälen. Die Krempel. Das Kardieren. In breiten duftigen Wasserfällen fiel der Flor. Von den Spuljungen sagte der alte Veik: »Die kommen herein, wenn sie mit der Schule fertig sind, mit vierzehn oder fünfzehn Jahren, und weiterhin, je nach Befähigung, mit der Zeit zu allen übrigen Arbeiten.« In der Walke rumpelten gewalttätig die Maschinen in verschlossenen hohen aufrechtstehenden Kasten, und wenn man die Türe auftat und ins Getriebe hineinschaute, dann war’s, als klettere eilig und unaufhörlich ein Kerl in langen Hosen durch einen Kamin empor. Dagegen im Trockenraum, im heißen: da roch es ganz einfach wie in einer Schneiderwerkstatt, jedoch im Riesenformat.
    Es war eine völlig andere Welt, durch welche nunmehr der alte Eisenmann den Conrad Castiletz hetzte, nämlich überall dorthin, wo jener selbst, infolge Zeitmangels, augenblicklich nicht hingehen konnte – und wohin er dann doch jedesmal nachkam, ja, wo er allermeist in überraschender Weise bereits anzutreffen war. Die Helligkeit war groß, was aber nicht allein daran zu liegen schien, daß dieses Werk überwiegenden Teils aus neueren und neuesten Zubauten bestand: nein, das Material, in

Weitere Kostenlose Bücher