Ein Mord von bessrer Qualität: Ein Fall für Lizzie Martin und Benjamin Ross (German Edition)
verfallen«, informierte ich ihn. »Sie sind durch und durch gut und sehen in anderen auch nur das Gute. Aber diese Briefe, die Fawcett und Mrs. Benedict einander geschrieben haben – Sie haben sie mit eigenen Augen gesehen?«
»Henderson, die Zofe von Mrs. Benedict, hat sie gesehen. Sie kam zweimal hinzu, als Mrs. Benedict sie las, und einmal kniete die gnädige Herrin in ihrem Schlafzimmer vor dem Kamin und verbrannte sie. Und dann …« Seymour errötete und presste die Lippen aufeinander.
»Sprechen Sie weiter«, sagte ich behutsam.
»Mr. Benedict wird von alledem erfahren, nehme ich an?«, fragte er und sah mich resigniert an.
»Ich schätze, er kann es sich bereits denken. Doch vielleicht erfährt Mr. Benedict nichts von den Einzelheiten, die Sie mir erzählen. Ich kann Ihnen allerdings nichts versprechen.«
»Es ist eine elende Geschichte!«, platzte Seymour hervor. »Können Sie jetzt verstehen, warum ich meine Stelle überstürzt quittiert habe? Warum ich nicht mehr bleiben konnte, nachdem ich informiert worden war?«
»Von Henderson, nehme ich an, der Zofe.«
»Ja. Und wie ich bereits erklärte, sie kam zu mir in meiner Eigenschaft als Ranghöchster des Personals und bat mich um meinen Rat. Sie wusste nicht, was sie machen sollte. Sie war verängstigt, nervös … Die meiste Wäsche des Hauses wurde nach Egham gebracht, zu einer Waschfrau. Doch einige von Mrs. Benedicts persönlichen und delikaten Stücken wurden von Henderson gewaschen. Einschließlich ihrer … ihrer Unterwäsche.«
Seymour war inzwischen so untröstlich, dass ich ihn aufmuntern musste. »Ich verstehe, was Sie mir sagen wollen, Sir, und wie schwierig es für Sie sein muss. Doch Sie verstehen sicherlich, dass ich als Ermittler, der Beweise sammelt, hören muss, wie Sie es sagen. Es reicht nicht, wenn ich mir denken kann, was Sie sagen wollen.«
»Sie haben vollkommen recht, Inspector. Ich verstehe das. Ich mache eine Aussage, nicht wahr? Nun denn … Henderson war schockiert, weil sie … weil sie Flecken in der Unterwäsche der gnädigen Herrin gefunden hatte nach einer ihrer Einkaufsfahrten nach London. Oder besser gesagt, ihrer sogenannten Einkaufsfahrten«, verbesserte sich Seymour bitter. »Denken Sie nicht, Inspector, dass ich einfach meine Koffer gepackt hätte und davongelaufen wäre, ohne zumindest zu versuchen, die Geschichte in Ordnung zu bringen. Ich hatte ein ernstes Gespräch mit Miss Marchwood. Ich bettelte, ich flehte sie an – vergebens! Sie steckte bereits viel zu tief in der Geschichte drin. Mrs. Benedict bildete sich ein, diesen Mann zu lieben. Sie wollte nicht von Fawcett lassen, und Miss Marchwood blieb nichts anderes übrig, als dabeizustehen und die Dinge bis zum unglückseligen Ende laufen zu lassen. Sie hatte Angst – natürlich hatte sie Angst. Sie hatte viel zu spät erst angefangen zu begreifen … Wie dem auch sei, sie wollte nichts unternehmen, und ich konnte nichts unternehmen. Und so reichte ich mit großem Bedauern meinen Abschied ein.«
Seymour verstummte. Nach einem Moment zog er sein Taschentuch hervor und wischte sich die Stirn.
»Sie haben alles getan, was in Ihrer Macht stand, Mr. Seymour«, versuchte ich den sterbenselenden Mann zu trösten. Seine Situation war unerträglich gewesen.
»Ich konnte nicht mit Mr. Benedict reden. Wie hätte ich das tun können? Es wäre das Ende meiner Anstellung gewesen, ob er mir geglaubt hätte oder nicht.« Er fuchtelte hilflos mit dem Taschentuch herum.
»Mr. Seymour!«, drängte ich. »Ich kann nur wiederholen, Sie haben alles getan, was vernünftigerweise von Ihnen verlangt werden konnte. Sie konnten weder mit Mr. Benedict noch mit seiner Frau direkt sprechen, und Miss Marchwood war Ihre einzige Hoffnung. Sie hat Sie im Stich gelassen.«
Seymour steckte sein Taschentuch weg, und ein Teil seiner früheren steifen Haltung kehrte zurück.
»Sie hat Mrs. Benedict im Stich gelassen«, sagte er gepresst.
Ich war schockiert, wie weit Isabella Marchwoods Komplizenschaft gegangen war. Nicht nur heimliche Stelldicheins in den Parks. Nicht nur mädchenhafte Liebesbriefe. Kein Wunder, dass die Gesellschafterin nicht mit der Polizei hatte reden wollen oder dass Seymours Bitten zu spät gekommen waren. Sebastian Benedicts Zorn hätte keine Grenzen gekannt. Isabella Marchwoods Ruf wäre ruiniert gewesen. Niemand hätte sie jemals wieder als Gesellschafterin eingestellt. Nicht nur Allegra war ihrem Verderben entgegengeeilt. Die
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