Ein Mord von bessrer Qualität: Ein Fall für Lizzie Martin und Benjamin Ross (German Edition)
interessant zu sein schien. Es war nicht mein Fall. Sobald ich wieder in London war, würde ich herausfinden, wer von meinen Kollegen dafür zuständig war, und ihn über meine Aktivitäten informieren sowie über die Freiheit, die ich mir zur eigenen Tarnung mit seinen Ermittlungen genommen hatte.
»Sie und Ihre Männer sind offensichtlich auf Draht und leisten ausgezeichnete Arbeit«, sagte ich anerkennend. »Aber was, wenn jemand im Haus irgendetwas Verdächtiges sieht? Geht er oder sie geradewegs zum Colonel?«
»Wohl eher zu Mr. Seymour, dem Butler, Sir. Und Mr. Seymour wird dem Colonel berichten, sollte er die Angelegenheit für ernst befinden.«
»Dann sollte ich mich vielleicht mit Mr. Seymour unterhalten, bevor ich abreise«, schlug ich unschuldig vor.
Und so fand ich mich kurze Zeit später in einem bequemen Sessel in der kleinen Wohnung der Haushälterin wieder. Blumentapeten schmückten die Wände, im Kamin knisterte ein Feuer, vor mir stand eine Tasse Tee, und mir gegenüber saß der schwer zu findende Mortimer Seymour, ehemals Butler im Haus von Sebastian Benedict.
Seymour war ein kleiner, gepflegter Mann mit hoher Stirn und glatt zurückgekämmtem schwarzem Haar. Seine Kleidung war steif und förmlich, und er erinnerte mich stark an ein kleines schwarz-weißes Kätzchen. Er beobachtete mich jedenfalls mit dem misstrauischen Blick einer Katze. Vermutlich ahnte er längst, dass ich wegen ganz anderer Dinge hier war, als der Drohungen eines Erpressers gegen den Colonel.
»Ich möchte offen zu Ihnen sein, Mr. Seymour«, begann ich, während ich meine Tasse abstellte. »Es gibt einen weiteren Grund für mein Hiersein, über den offensichtlichen hinaus.«
»Tatsächlich, Inspector?«, erwiderte er ausdruckslos.
»Vielleicht haben Sie ja sogar längst einen Besuch der Polizei erwartet. Ich will nicht unterstellen, dass Sie in irgendeiner Form in irgendwelche kriminellen Machenschaften verwickelt sind oder waren, Gott bewahre. Doch die jüngsten Ereignisse, die sicherlich nicht unbemerkt an Ihnen vorbeigegangen sind, haben in Ihnen vielleicht die Frage aufgeworfen, ob die Polizei nicht mit Ihnen zu sprechen wünscht. Ich rede nicht von der versuchten Erpressung des Colonels, Mr. Seymour. Ich spreche von den jüngsten Morden, die sich in London ereignet haben. Ich leite die diesbezüglichen Ermittlungen.«
»Das dachte ich mir bereits, Sir«, antwortete Seymour auf die für Butler typische gelassene, unaufgeregte Weise, als hätte ich eine Bemerkung zu einem unerwartet schlechten Wein von einem der Stammlieferanten des Colonels gemacht. Er neigte den Kopf ein wenig nach vorn. »Ich war überrascht, als Smithers sagte, Scotland Yard habe einen Inspector geschickt. Ich hatte nicht erwartet, dass jemand dieses Ranges zu uns kommt, um wegen der Drohbriefe zu ermitteln, die der Colonel erhalten hat. Weswegen ich folgerte, dass ein anderer, sehr viel schwerwiegenderer Grund Sie hierhergeführt haben muss.«
Der Butler war nicht auf den Kopf gefallen und um einiges aufgeweckter als der Stallbursche. Gut so.
»Dann sollten wir gleich zur Sache kommen«, sagte ich forsch. »Wenn ich recht informiert bin, haben Sie in Ihrer letzten Anstellung für einen Mr. Sebastian Benedict gearbeitet, in dessen Haus in der Nähe von Egham, in Surrey.«
Seymour nickte erneut und zeigte weder Überraschung noch Neugier angesichts meiner Worte. »Das ist richtig, Inspector.«
»Wie lange waren Sie bei Mr. Benedict?«
»Fast zehn Jahre, Sir.«
»War es eine gute Stelle?«
»Jawohl, Sir. Mr. Benedict war ein exzellenter gnädiger Herr.«
»Und Mrs. Benedict, die Dame des Hauses? Wie würden Sie sie beschreiben?« Ich wartete ungeduldig auf seine Antwort. Sie war der ganze Grund für mein Hiersein. Ich wollte nicht zum Scotland Yard und Superintendent Dunn zurückkehren und gestehen, dass ich eine Niete gezogen hatte.
»Als verstorben, Sir«, antwortete Seymour mit unerwartet trockenem Humor. »Ich habe in den Zeitungen von den erwähnten Ereignissen gelesen und gestehe, dass es mir sehr nahegegangen ist. Mrs. Benedict war eine äußerst liebenswürdige gnädige Herrin.«
»Der Tod ebenjener Lady ist das Ziel unserer Ermittlungen, wie Sie sich vielleicht denken können«, fuhr ich fort. »Wir hatten gehofft, dass ihre Gesellschafterin, Miss Isabella Marchwood, uns vielleicht nützliche Hintergrundinformationen liefern kann. Unglücklicherweise wurde sie ebenfalls ermordet, bevor sie eine Gelegenheit dazu bekam,
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