Ein Mord von bessrer Qualität: Ein Fall für Lizzie Martin und Benjamin Ross (German Edition)
wir die Zeugenaussagen von zwei Bediensteten haben.«
»Schuft!«, explodierte Lizzie. Ich nahm an, dass sie nicht mich meinte, sondern Fawcett. »Und was passiert als Nächstes?«, wollte sie wissen.
»Wir müssen hoffen, dass er nicht untertaucht. Möglicherweise hat Dunn recht, und er verschwindet nicht auf der Stelle – es würde ihn eines Kapitalverbrechens verdammt schuldig aussehen lassen. Es ist eine Sache, Fersengeld zu geben, wenn man als Schwindler entlarvt wurde. Aber es ist eine ganz andere, wenn man sich dadurch als Kandidat für den Galgen präsentiert.«
»Glaubst du, dass er sie umgebracht hat?« Lizzie sprach mit gesenkter Stimme, obwohl das laute Klappern aus der Küche verriet, dass Bessie nicht in Hörweite war.
Ich seufzte. »Ich weiß es nicht. Dunn glaubt, dass er es war. Der Mann hatte ein Motiv. Allegra war verliebt. Für Fawcett hätte das normalerweise bedeutet, dass sie ihm hörig war. Doch die Lady war Italienerin und hatte dementsprechendes Temperament. Sie war leidenschaftlich und unberechenbar. Ihr ganzes Verhalten hatte sich geändert. Sie wollte, dass die ganze Welt sah, wie glücklich sie war. Wir wissen, dass die Dienerschaft im Haus der Benedicts wegen ihres veränderten Benehmens bereits die Wahrheit erraten hatte, und es konnte nur noch eine Frage der Zeit sein, bis auch ihr Mann Verdacht schöpfte. Ich glaube, dass Fawcett sich in eine Situation gebracht hat, aus der er sich nur zu gerne wieder befreit hätte. Aber dafür zu morden? Das ist etwas ganz anderes. Meiner Meinung nach ist es viel wahrscheinlicher, dass Fawcett im Augenblick der Entscheidung, falls er gekommen wäre, seine Koffer gepackt hätte und verschwunden wäre. Es hätte bedeutet, ein profitables Unternehmen aufzugeben, das ihm viel Geld für sein sogenanntes gutes Werk einbrachte. Doch angesichts der Möglichkeit einer Indiskretion vonseiten Allegras, die den ganzen Skandal enthüllt hätte, nun ja. Meiner Meinung nach hätte er den Schwanz eingeklemmt und wäre verschwunden. Ich glaube nicht, dass er sie umgebracht hat. Aber ich lasse mich gerne eines Besseren belehren. Vielleicht hat sie etwas gesagt oder getan, irgendetwas Unüberlegtes, und Fawcett hat die Nerven verloren.«
»Ich gehe am Sonntag zur Temperenzversammlung!«, entschied Lizzie, nachdem sie sich einen Moment Zeit genommen hatte, um über das Gehörte nachzudenken.
Ich war nicht sonderlich glücklich über ihren Entschluss. »Du wirst sehen, dass du unerwünscht bist, wegen mir«, warnte ich sie.
»Ich war schon früher nicht besonders willkommen, glaub mir«, antwortete meine Frau gelassen. »Ich bin jedoch gespannt, wie Mr. Fawcett sich nun aufführt, nach seinem kleinen Abenteuer in der Zelle.«
Und das, so viel musste ich gestehen, interessierte auch mich. Was meine Begegnung mit Benedict anging und das, was ich über die Natur seiner Ehe mit Allegra erfahren hatte, so konnte und wollte ich Lizzie nichts davon erzählen. Die Tatsache, dass Benedict in gewisser Hinsicht sein Unglück selbst heraufbeschworen hatte, war keinerlei Entschuldigung für Fawcett, der eine einsame und verzweifelte Frau schamlos ausgenutzt hatte.
Ich hatte das Gefühl, dass Superintendent Dunn missgelaunt war, weil wir Fawcett hatten gehen lassen müssen. Doch seine gute Laune sollte schon bald wiederhergestellt werden. Am Samstagmorgen, ich war auf dem Weg zu meinem Büro, wurde ich einmal mehr von dem eifrigen Biddle abgefangen.
»Mr. Dunn ist heute ebenfalls da, Sir«, flüsterte er. »Und er hat Besucher.« Es gab keinerlei Grund für sein Getuschel. Der junge Biddle hatte einen Sinn für das Dramatische. Mit ein wenig Glück würde es sich noch auswachsen.
»Besucher aus dem Norden!«, fuhr er im Verschwörerton fort und gestikulierte zum Fenster hinaus in die Richtung, die seiner Meinung nach Norden sein musste. »Und er will Sie sehen, Sir, gleich jetzt. In seinem Büro.«
»Was hat das nun schon wieder zu bedeuten?«, murmelte ich vor mich hin, als ich mich auf den Weg machte. Dunn kam samstags normalerweise nicht zur Arbeit. Jemand musste ihn herzitiert haben.
Ich hörte Stimmen, lange bevor ich da war. Als ich eintrat, fand ich Dunn vor, wie er zwei Männer unterhielt, falls man das so nennen konnte, die offenkundig von außerhalb der Stadt kamen. Sie trugen Zylinderhüte und dicke Wintermäntel, und sie waren umgeben von einem schwachen Geruch nach Ruß und Maschinenöl, der vermuten ließ, dass sie direkt von einem der großen Londoner
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