Ein Mord von bessrer Qualität: Ein Fall für Lizzie Martin und Benjamin Ross (German Edition)
O’Reilly auszuweichen. Die beiden prallten mit einem lauten Geräusch zusammen. Der Sergeant wurde umgerissen, und Fawcett verlor das Gleichgewicht. Sie gingen gemeinsam zu Boden, wo sie verkrümmt liegen blieben, außerstande, irgendetwas zu tun, bevor Styles und ich bei ihnen waren. Wir packten Fawcett und rissen ihn auf die Beine. Der stöhnende O’Reilly musste alleine sehen, wie er wieder hochkam.
»Jeremiah Basset!«, polterte Styles. »Ich habe hier einen Haftbefehl gegen Sie …«
Fawcetts wilder Blick war auf mich gerichtet. Verschwunden war jeglicher Rest von Urbanität. Das dort war eine gejagte Kreatur in der Falle, atemlos und zerzaust. Der vornehme Frack und die Hosen waren verdreckt, und er war irgendwo – wohl beim Klettern durch das Fenster – hängen geblieben und hatte sich einen langen Riss am Ärmel zugezogen.
»Ich habe es nicht getan!«, heulte er.
»Der Haftbefehl«, informierte ich ihn, »bezieht sich auf Ihre Straftaten in Manchester. Sie haben offensichtlich in ganz ähnlicher Weise wie hier unter falschem Vorwand Geld erschwindelt. Zwecklos, etwas abstreiten zu wollen. Jetzt wartet das Gericht auf Sie.«
»Ich habe das getan, es stimmt«, schluchzte er. »Aber mit der anderen Sache habe ich nichts zu tun! Ich schwöre es, Mr. Ross! Ich hatte keine Hand im Spiel beim Tod von Allegra Benedict oder Isabella Marchwood! Ich schwöre bei Gott, ich bin kein Mörder!«
O’Reilly war unterdessen wieder auf den Beinen. Er zog ein Paar Handschellen aus der Tasche.
»Legen Sie ihm die Dinger an«, befahl Styles.
Fawcett starrte benommen auf seine gefesselten Hände, dann hob er den Blick und sah mich beinahe flehend an. »Sie glauben mir doch, Mr. Ross? Bitte, Sie müssen mir glauben!«
KAPITEL SECHZEHN
Inspector Benjamin Ross
Man war übereingekommen, dass Styles und O’Reilly Fawcett mit nach Manchester nehmen und ihn dort vor Gericht mit den Anklagen konfrontieren sollten, die sie gegen ihn zusammengetragen hatten. Doch zuvor gab Styles mir noch eine letzte Gelegenheit, mit Fawcett über Allegra Benedict zu sprechen. Ich nannte ihn weiterhin bei dem Namen, unter dem er in London aufgetreten war. Wir hatten es noch nicht geschafft, ihn zur Preisgabe seines richtigen Namens zu bewegen. Vielleicht würde Styles ihn dazu bringen, oder vielleicht hatte Fawcett im Lauf der Jahre auch so viele Namen benutzt, dass er selbst nicht mehr wusste, wie er eigentlich hieß. Er war wie ein Schauspieler, der zu viele Rollen gespielt hatte.
Der vornehme, modisch gekleidete Mann gab am Sonntagmorgen einen traurigen Anblick ab. Normalerweise war dies der Tag, an dem er über seiner Herde residierte, seine Macht genoss, in ihrer Bewunderung badete, Nervenkitzel zog aus der Macht, ihre Gefühle zu manipulieren und sie nach seinem Willen zu beugen. Stattdessen saß er in einer nackten Zelle, die den Gestank von purer Verzweiflung verströmte, und starrte mich mit großen Augen an. Kein Dandy mehr, bei Gott, sondern kaum wiederzuerkennen. Eine zerzauste, schmutzige, verhärmte Karikatur dessen, was er vor Kurzem noch gewesen war. Dieses Verhör würde völlig anders laufen als das vorangegangene.
»Ich bin kein Mörder«, wiederholte er. »Ich schwöre es!« Er war den Tränen nahe.
»Ich beschuldige Sie auch gar nicht des Mordes – noch nicht jedenfalls«, sagte ich zu ihm. »Aber ich beschuldige Sie der Behinderung unserer Ermittlungen in zwei Fällen, dem Mord an Allegra Benedict und außerdem dem Mord an Isabella Marchwood. Und die Polizei bei Kapitalverbrechen zu behindern stellt, wie Sie sicherlich wissen, ebenfalls eine Straftat dar.«
»Wieso behindere ich Sie?«, rief er aus, indem er sich die Haare raufte. »Ich weiß absolut nichts über diese Morde!«
Ich beugte mich vor. »Fawcett – ich muss wissen, ob Sie ein Verhältnis mit einem der beiden Opfer hatten, Allegra Benedict. Sie dachten wahrscheinlich, Sie wären diskret – aber irgendjemand wusste davon, über Isabella Marchwood hinaus, die von Anfang an Mitwisserin war. Es wäre möglich, dass diese andere Person oder diese Personen ihr Wissen missbraucht haben, um Mrs. Benedict eine falsche Botschaft zu senden und sie an jenem Samstag in den Park zu locken. Wollen Sie, dass der wahre Mörder gefasst wird oder nicht?«
»Selbstverständlich!«, begehrte er auf. »Bevor der Kerl nicht überführt ist, bleibe ich verdächtig! Was glauben Sie, wie ich mich dabei fühle? Ich will nicht wegen der Verbrechen eines
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