Ein Mord von bessrer Qualität: Ein Fall für Lizzie Martin und Benjamin Ross (German Edition)
Entdeckung der Toten bereits so weit fortgeschritten war, dann hatte sie wahrscheinlich seit Samstagabend dort gelegen, vermutlich seit dem frühen Abend. Carmichael würde den Zeitpunkt genauer festlegen.
Samstag … der Nebel … stranguliert … mich beschlich ein beunruhigendes Gefühl. Der Green Park lag näher an der Westminster Bridge als an der Waterloo Bridge, doch beides war nicht weit voneinander entfernt. Hatte das ominöse Flussphantom etwa zugeschlagen? Hatte es sich tatsächlich so weit vom Fluss entfernt?
»Es gibt da etwas, das ich Ihnen berichten muss, Sir«, begann ich.
»Was denn? Mitten in dieser Untersuchung?«, rief Dunn ungehalten. »Das ist eine sehr ernste Angelegenheit, Ross! Unterbrechen Sie mich nicht andauernd, ja? Sie können hinterher Fragen stellen, wenn ich fertig bin mit dem Aufzählen der Fakten!«
»Ja, Sir, doch das, was ich Ihnen sagen muss, besitzt möglicherweise – möglicherweise auch nicht – eine gewisse Bedeutung für diesen Fall.«
Dunn saß schweigend da, während ich ihm von meiner Begegnung mit Daisy Smith im dichten Nebel auf der Brücke berichtete und von ihrer Geschichte über das Phantom aus der Themse. Als ich geendet hatte, strich er sich wild mit den Händen über den Kopf. »Wir müssen Stillschweigen darüber bewahren, Ross, jedenfalls für den Augenblick, verstehen Sie das? Nur Sie und ich und die an der Ermittlung beteiligten Beamten dürfen davon erfahren. Eine Panik in den Straßen von London wäre das Letzte, was wir wollen. Wenn diese Geschichte nach außen dringt, steht eine Armada von Frauen vor unserer Tür und behauptet, dieses Phantom gesehen oder gehört zu haben oder gar von ihm angegriffen worden zu sein. Die Presse wird sich darauf stürzen. Wir werden uns nicht mehr rühren können vor lauter Reportern!«
»Ich pflichte Ihnen bei, Sir. Wissen Sie, ob die Tote ausgeraubt wurde?«
Dunn rieb sich das Kinn. »Wir fanden keine Geldbörse und keinen Pompadour, doch sie trug einen Ehering und einen weiteren, einen Diamantring sowie goldene Ohrringe mit Perlen. Sie wurde nicht ausgeraubt, das scheint nicht das Motiv gewesen zu sein. Dieses Flussphantom, von dem Sie berichtet haben, hat vielleicht seine eigenen kranken Motive. Die Tote scheint auch keine Prostituierte gewesen zu sein.«
»Gewiss nicht, Sir. Sergeant Morris hat sie als vornehme Leiche beschrieben. Doch wenn diese Frau allein im Park unterwegs war, dann hat ihr Angreifer sie möglicherweise für eine Prostituierte gehalten. Bedenken Sie, es herrschte dichter Nebel. Sie konnte ihn nicht sehen, bis er über ihr war, und umgekehrt ging es ihm genauso. Er sah lediglich eine Frau ohne Begleitung. Wir wissen nicht, warum sie dort war, doch wir können davon ausgehen, dass sie sich verlaufen hatte. Vielleicht hat sie den Täter sogar angesprochen, um sich nach dem Weg zu erkundigen, und er nahm an, dass sie sich anbieten wollte.«
Für kurze Zeit herrschte Stille, während Dunn über meine Worte nachdachte. Ich erkühnte mich, ihn dabei zu unterbrechen.
»Was geschah als Nächstes, Sir? Nachdem der Leichnam entdeckt wurde?«
Dunn schrak hoch. »Hm? Was? Oh, richtig. Warten Sie … Der Park Constable war der Meinung, dass Leichen über die normalen Aufgaben der Streifenbeamten hinausgingen. Er rannte los, um nach dem ersten richtigen Constable zu suchen, und durch einen glücklichen Zufall fand er beinahe sofort Constable Wootton von der C Division. Wootton benutzte seine Pfeife, um Hilfe herbeizurufen. Inspector Watkins aus der Little Vine Street wurde informiert und begab sich unverzüglich zum Fundort der Leiche. Als er dort eintraf, war bereits ein Inspector der Park Police vor Ort, und es entbrannte ein Streit zwischen den beiden, wer denn nun die Leitung innehatte.«
Während die Leiche im Gebüsch lag? Ich stellte mir vor, wie alle um die Tote herumstanden und diskutierten und auf ihren Prinzipien ritten. Hätten sie sich so viel Mühe gemacht, die Zuständigkeit an sich zu reißen, wenn die Tote offensichtlich eine Prostituierte gewesen wäre?
Mein Verstand kehrte zu Daisy Smith zurück, und mir kam ein Gedanke. »Wir sollten vielleicht keine voreiligen Schlüsse ziehen, was den Status der Toten angeht, Sir, allein aufgrund der Tatsache, dass sie gut gekleidet war. Die ›besseren‹ Prostituierten könnten durchaus versuchen, sich auch im Park anzubieten. Und wenn ein Freudenmädchen seine Dienste im Park anbieten wollte, müsste es modisch gekleidet und dürfte
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