Ein Mord von bessrer Qualität: Ein Fall für Lizzie Martin und Benjamin Ross (German Edition)
Glück. Draußen vor dem Bahnhof fanden wir einen offenen Einspänner mit einem Pony auf Kundschaft warten. Wir riefen den Fahrer eine Sekunde vor einem stämmigen Gentleman mit einem großen Schrankkoffer, der seinem Missvergnügen darüber lautstark Ausdruck gab. Ich versicherte ihm, dass wir in offizieller Angelegenheit unterwegs waren, und der Kutscher versprach, innerhalb zwanzig Minuten zurück zu sein.
Falls der Stationsvorsteher recht hatte und der Hügel wirklich steil war, dann war diese Vorhersage meines Erachtens eine sehr optimistische, selbst angesichts des Einspänners. Sie vermochte den Gentleman denn auch nicht zu trösten. Er brüllte uns immer noch empört hinterher, als wir vom Bahnhofsplatz rollten.
»Unerhört! Ich werde meinen Abgeordneten anschreiben, Sir! Die Polizei ist ein Diener der Öffentlichkeit und darf ihre Autorität nicht dazu missbrauchen, willkürlich sämtliche verfügbaren Transportmittel zu beschlagnahmen!«
Ich zweifelte nicht eine Sekunde an seinen Worten, doch es war mir gleichgültig – eine Morduntersuchung hatte allemal Vorrang vor einem großen Koffer.
Wir trotteten in munterem Tempo durch die hübsche kleine Ortschaft und hinaus auf das Land, wo uns ein Wegweiser informierte, dass wir auf der Straße nach Englefield Green waren. Die Umgebung war üppig grün, und Morris bemerkte, dass es schön sein musste, hier zu leben. Der Stationsvorsteher hatte sicherlich recht gehabt mit seiner Vorwarnung, und es war ein Glück, dass The Cedars auf halber Höhe lag und nicht ganz oben. Ich bezweifelte, dass das Pony den ganzen Weg geschafft hätte – wahrscheinlich hätten wir aussteigen und den Rest zu Fuß zurücklegen müssen. Doch wie die Dinge standen, setzte uns der Kutscher vor den Toren des Anwesens ab. Wir standen da, Morris und ich, und sahen dem Einspänner hinterher, der sich den Hügel hinunter in Richtung Bahnhof entfernte, um den dicken Gentleman aufzusammeln, falls er noch dort stand und wartete. Dann warfen wir einen ersten Blick in die Runde.
Das Haus war stattlich und im Stil der Jahre um 1800 herum errichtet. Die Fassade war reich mit Stuck verziert und sah ein wenig italienisch aus. Es war umgeben von wunderbar gepflegten Rasenflächen, und tatsächlich standen zu beiden Seiten zwei majestätische Zedern.
»Hübsch, wirklich sehr hübsch«, sagte Morris beeindruckt. Er schien überzeugt, dass wir uns in einem der erstrebenswertesten Teile des Landes befanden.
Während wir den knirschenden Kies überquerten und uns der Eingangstür näherten, sahen wir, dass dieses Haus in tiefster Trauer war. Sämtliche Vorhänge waren zugezogen, und am Türklopfer hing ein schwarzes Seidenband. Trauernde Hinterbliebene zu besuchen ist der schlimmste Aspekt meiner Arbeit. Es ist schon schlimm genug, einen geliebten Menschen zu verlieren, doch die Erfahrung, dass dieser Mensch als Folge eines gewalttätigen Verbrechens sterben musste, für das es keinerlei offensichtliche Erklärung gibt, scheint in ihrer Grausamkeit nahezu nicht mehr zu überbieten zu sein. Benedict hatte sicher einen schlimmen Schock erlitten und kämpfte mit seiner Trauer, und ausgerechnet in dieser Zeit kam ich daher, um ihn über seine Frau und seine Ehe zu befragen. Doch es ging nicht anders; ich musste meine Gewissensbisse ablegen. Schließlich war ich, genau wie ich es dem dicken Gentleman am Bahnhof gesagt hatte, in offizieller Eigenschaft hier.
»Sie gehen die Köchin suchen, Morris!«
»Jawohl, Sir!« Morris entfernte sich in Richtung Hintereingang.
Ich hob die Hand und benutzte den schwarz verschleierten Türklopfer.
Einen kurzen Moment später vernahm ich auf der anderen Seite ein Rasseln, und ein Zimmermädchen mit rot geweinten Augen öffnete.
»Der gnädige Herr empfängt zurzeit keinen Besuch, Sir«, kam sie mir zuvor, bevor ich meinem Begehr Ausdruck verleihen konnte.
Ich nickte mitfühlend. »Es tut mir leid«, sagte ich, »aber ich muss ihn sprechen. Sehen Sie, ich bin Inspector Ross vom Scotland Yard, und es ist meine traurige Pflicht herauszufinden, was Ihrer gnädigen Herrin zugestoßen ist.«
Ich konnte schlecht »wer sie getötet hat« sagen, doch das war es, was ich meinte, und das Zimmermädchen begriff es sofort.
Sie brach in Tränen aus und tupfte sich die Augen mit einem Zipfel ihrer gestärkten Schürze. »Oh, es ist ja so furchtbar, Sir«, schluchzte sie. »Ich bin sicher, niemand von uns wird je darüber hinwegkommen. Mrs. Benedict war eine wunderbare Herrin!
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